Der Raubüberfall auf Kugelstein
Vorzeiten standen beim Gamperhof in Kurzras zwei Bauernhöfe, drei Stadel und eine Kapelle. Um 1800 etwa brannten alle Gamper-Gebäulichkeiten nieder, die Kapelle steht noch als Ruine da mit eingestürztem Dache. Ein gewisser Sebastian Gurschler heiratete zum Kurzhof und seitdem sind die Gurschler am Kurzhof ansässig.
In der guten alten Zeit wollte einmal der Gamperbauer auf den Markt aufs Land hinausreiten und Korn einkaufen. Schon um Mitternacht ritt er von Gamp weg. In einem Lederbeutel hatte er das Geld bei sich. Vor Kugelstein paßten ihm zwei Räuber auf, es war noch dunkle Nacht. Der Gamperbauer hatte noch soviel Geistesgegenwart und warf schnell seinen Geldbeutel gegen die Stauden hinauf. Der Geldbeutel verfing sich in den Zweigen einer jungen Birke. Der Bauer war auf den Überfall nicht gefaßt. Die Räuber stachen ihn vom Rosse herunter mit den Lanzen und stießen ihm den Dolch ins Herz. Der Bauer betete da sein letztes Vaterunser und mußte sterben. Die Räuber suchten nach dem Gelde, fanden es aber nicht.
Sobald das Roß sich frei fühlte, drehte es um und sprengte ohne Reiter taleinwärts. In den frühen Morgenstunden kam es schnaubend und schwitzend am Gamphof an. Es war gerade die Zeit, da die Mägde zum Melken in den Stall gingen. Das Roß war sehr unruhig und tat sehr erschreckt. Die Mägde merkten gleich, daß etwas geschehen sei. Sogleich weckten sie die Knechte und meldeten ihnen die Ankunft des Rosses, und sie sollten doch schauen gehen. Inzwischen rieben die Mägde das Roß mit Tüchern trocken und ließen es rasten. Die Knechte sattelten ein zweites Roß, und zwei Knechte wollten hinausreiten, und sehen, was dem Bauer zugestoßen sei. Der eine Knecht schwang sich auf das frische Pferd hinauf, der andere auf das abgehetzte.
Bei der Stelle, wo der Raubüberfall geschehen war, wollte das scheue Pferd keinen Schritt mehr weitergehen. Jetzt war es heller Tag und die Knechte sahen am Boden frische Striche und Spuren von Schuhen und Pferdehufen. Hier mußte die Unglücksstelle sein! Etwas unterhalb des Weges lag der Gamperbauer, tot. Das Messer der Räuber hatte er noch tief in der Brust stecken. Bei näherem Zusehen entdeckten sie auch den Geldbeutel, der auf dem Birkenbäumchen droben hing. Die beiden Knechte hoben die Leiche des Bauern auf das Pferd, banden sie fest, verschnürten auch den Geldbeutel und gingen zu Fuß und traurig wieder heim nach Gamp in Kurzras. Am Gamperhof kehrten freilich traurige Tage ein. Die Bäuerin klagte und weinte und war lange Zeit trostlos.
Die Räuber kamen nicht auf ihre Rechnung; denn das viele Geld des Bauern konnten sie doch nicht in ihre Hände bekommen.
Quelle: Die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, Rudolf Baur, Bozen 1970, S. 111.