Wie es dem Schroflerbauer mit dem Taufkind erging
Auf dem Schroflhof war Glück und Freude eingekehrt. Ein kleines Mädchen hatte das Licht der Welt erblickt. Mit Vaterfreude nahm der Vater das kleine "Pfötl" auf seine Arme und machte ihm das Kreuzzeichen. Heute noch wollte der Vater das Kind ins Dorf hinabtragen zur Taufe.
Ganz allein verließ der Vater den Hof, trug behutsam sein Töchterchen, warm und gut im Polster eingehüllt. Kaum hatte er den Wald durchschritten und die Oberperflgüter erreicht, da hörte er Geißenschellen. Seine eigenen Geißen fraßen in den Perflgütern, und der Oberperfler war dazu noch heute sein Gevatter. Die Rabenvieher mußte er sogleich hinaustreiben und ein Stück den Berg hinaufjagen. Für kurze Zeit legte er das Kind hinter einen Baum. Der Schrofler sprang über den Zaun und scheuchte die Ziegen den Berg hinauf. Einige Male pfiff er ihnen nach, daß sie wüßten, er ist hinter ihnen her.
Dann stieg er wieder zum Waldsteig herab und wollte den Polster samt dem Kinde weitertragen. Wie gelähmt blieb er stehen, Polster und Kind waren verschwunden! Gewiß bei diesem Baume, da hatte er sein Kind niedergelegt. Was würde die Mutter sagen, wenn er das Kind verloren hätte! In seiner Angst machte er ein Versprechen: "Ihr Armen Seelen, helft ihr mir das Kind finden, so lasse ich euch geschwind eine hl. Messe lesen!" Er suchte weiter und siehe, weiter unten im Walde erblickte er den weißen Polster! Aber das war nicht derselbe Lärchbaum, bei dem er das Kind niedergelegt hatte. Zum Glück hatte er den Herrn Pfarrer und den Tot nicht zu lange warten lassen. Beim Taufmahle wurde er wohl gefragt, warum er sich heute verspätet habe. Der Schrofler rückte alsbald mit der Sprache heraus und erzählte sein sonderbares Erlebnis. Dazu legte er das Messengeld auf den Tisch und bestellte seine versprochene Messe. Die Armen Seelen helfen geschwind in unseren Nöten.
Quelle: Die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, Rudolf Baur, Bozen 1970, S. 109.