UNTERGEGANGENE STADT
An der Stelle, wo jetzt Partschins steht, prangte einst eine große Stadt, und dort, wo jetzt der Töll-Graben sich befindet, ragte ein stolzes Schloß. Der letzte Ritter, der auf demselben in Saus und Braus lebte, hatte ein so steinhartes Herz, daß er seinen alten Vater in Rabland beinahe Hungers sterben ließ. Der junge Ritter hielt eines Tages seine Hochzeit, und bis tief in die Nacht hinein wurde gebechert und getanzt.
Wie der Jubel am größten war, brach auf einmal der See aus,
verschüttete die Stadt und riß das Schloß mit sich fort.
Oft wurden auf der Heide, die teilweise die alte Stadt bedeckt, alte Münzen
gefunden. In der Mitte derselben liegt heutzutage noch der große
Stein, unter dem die große Glocke der untergegangenen Stadt vergraben
liegt.
Zu je hundert Jahren läutet der Teufel damit in einer Donnerstagnacht zur Angst Christi. - Vor beiläufig hundert Jahren gruben Bauern nach dieser Glocke. Schon hatten sie dieselbe beinahe aus dem Grunde gehoben und jubelten über ihren Fund, als plötzlich zwei Hexen vor ihnen standen, mit den Füßen auf die Glocke stießen und sprachen: "Tief in den Grund zu dieser Stund!" Da sank sie noch tiefer in die Erde, und der große Stein bedeckt sie, daß sie niemand mehr heben kann. (Partschins.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 626, S. 355