GOLDKORN
Die Tochter des Bauern N., der beim Schloß Reifenstein haust, ging
einmal ins Schloß hinauf, um dort Wasser zu holen. Wie staunte sie
aber, als aus dem Brunnenrohr anstatt des Wassers edler Weizen rann! Sie
ließ den Krug halb voll anlaufen und eilte damit heim, um dem Vater
von der merkwürdigen Weizenquelle zu erzählen. Doch der Bauer,
der sich wohl sogleich auskannte, fuhr die Tochter an: "Du närrisches
Ding, warum hast du nicht mehr von diesem Weizen genommen?" und lief
mit dem Mädchen sofort ins Schloß hinauf. Als sie jedoch oben
ankamen, plätscherte der Brunnen wie eh und je - und nur mehr reines
Wasser sprang aus der Brunnenröhre. Als sie wieder heimkamen, fanden
sie, daß der Weizen das reinste Gold war. (Sterzing.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 601, S. 339