Die Sage vom Teufelsstein
Auch der Herrgott hat gelegentlich seinen Spaß daran, wenn er dem Teufel ins Handwerk pfuschen und ihm, wie man zu sagen pflegt, die Suppe versalzen kann. Ein riesiger Stein am Wege von Triesen in die Weißschildtobelrüfe erinnert uns an ein solches eigentlich fröhlich zu nennendes Begebnis, heißt der Stein doch heute noch Teufelsstein. Wer genau hinschaut, erkennt auf der Steinplatte die Fußabdrücke des Teufels, die, das muß man nun freilich wissen, Spuren seiner Freude sind; denn er sprang damals vergnügt auf dem Stein herum, als er vermeinte, gleich einen ganzen Schub liechtensteinischer Seelen zu ergattern.
Er war müde des Weges gekommen, auch etwas verdrießlich, weil er noch nichts Rechtes gefangen hatte. Er hatte sich auf dem Stein ausgeruht, als er plötzlich einen aufdringlichen Lärm vernahm, dem er grinsend nachging. Und er täuschte sich nicht, er traf im Bad Vogelsang eine übermütig festende Gesellschaft, die sich um keine Sitte scherte und für den Teufel eine ergiebige Beute für seine Hölle versprach. Vor Vergnügen über die zu erwartenden Seelen tanzte er auf der besagten Steinplatte herum, die seine Fußspuren als warnende Zeichen für die Nachwelt aufbewahrte. Er dachte: Noch einige solcher Feste, dann sind sie reif für meine Krallen. Nach einigen Tagen wollte er wiederkommen, um die Saat zu ernten.
Man hatte den im "Vogelsang" prassenden Menschen schon oft mit dem Teufel gedroht und sie gewarnt vor seiner Gegenwart, aber sie glaubten nicht daran nach dem Grundsatz "Was ich nicht sehe, das glaube ich nicht". Der Herrgott aber, der die schlimmen Vorbereitungen des Teufels durchschaut hatte, wollte ihm nun nicht einfach die im übrigen guten liechtensteinischen Seelen überlassen. Er schmunzelte, dann ließ er eines Abends den Kaminfeger des Weges kommen. Als der schwarze Mann neugierig zur Tür in den Tanzsaal hineinguckte, erfaßte die tanzenden Paare ein furchtbarer Schrecken. Sie meinten, niemand anders als der Teufel sei gekommen, und erinnerten sich der Warnungen, sie sprangen in ihrer Angst zu den Fenstern hinaus - zum Glück lag der Saal auf ebener Erde -und flüchteten durch die Nacht nach Hause, wo sie beteten, in sich gingen und dem Herrgott einen bessern Lebenswandel versprachen. Was wollte er mehr!
Der Kaminfeger schüttelte nur verwundert den Kopf, denn er wußte
natürlich nicht, daß er Gottes Werkzeug gewesen war, wie ja
auch keiner von uns weiß, was Gott mit uns vorhat. Der Teufel aber
durchschaute das Spiel, schnitt ein bösdummes Gesicht - was wollte
er anderes tun! - und machte um den heimkehrenden Kaminfeger, als wäre
er eine gefürchtete, ernstzunehmende Konkurrenz, einen weiten Bogen.
Quelle: Dino Larese, Liechtensteiner Sagen, Basel 1970, S. 78