DAS VERSUNKENE BAD
Vor gar langer Zeit stand zwischen Nofels und Ruggell abseits der Landstrasse
des Schellenberges eine gut eingerichtetes und mit allen Bequemlichkeiten
ausgestattetes Bad. Es wurde nicht nur wegen seines kräftigen Schwefelwassers
von Heilbedürftigen, sondern auch von lebenslustigen Personen von
nah und fern gerne besucht; denn Küche und Keller waren stets aufs
beste bestellt, und lustig ging's dort zu jeder Zeit her, da der Wirt
für Vergnügungen jederzeit sorgte und nicht danach fragte, ob
sie mit dem Sittengesetze in Einklang standen oder nicht. Auf Ermahnungen
und Warnungen antwortete er nur mit Spott und Hohn, und sein Leibspruch
lautete: "Lustig gelebt und selig gestorben, heisst dem Teufel das
Spiel verdorben". Am Aschermittwoch ereilte jedoch den Wirt und die
Gäste der Arm der Gerechtigkeit.
Am Fasnachtsdienstag ging es gar hoch her: Musik und Tanz, Spiel und Trunk
und Ausgelassenheit dauerten bis tief in die Nacht hinein, liess es doch
der Wirt an nichts fehlen, was Küche und Keller zu bieten vermochten.
Als gegen Mitternacht die Ausgelassenheit den höchsten Grad erreicht
hatte, mahnten einige besonnene Gäste, die Festlichkeiten abzubrechen
und die beginnende Fastenzeit nicht durch dieses wüste Gelage zu
entweihen. Der Wirt aber erwiderte höhnisch: "Lieber will ich
mit meinen fröhlichen Gästen zur Hölle fahren als mit euch
Fasten-und Busspsalmen singen". Er befahl den Musikanten, die schönsten
Weisen aufzuspielen, und liess ihnen und seinen Gästen von seinem
besten Wein reichen.
Etliche Gäste verliessen hierauf gleich das Gasthaus. Kaum hatten
sie sich etwa fünfzig Schritte vom Hause entfernt, fühlten sie
eine starke Erschütterung, und als sie sich umwandten, sahen sie,
wie das Gebäude samt der Gesellschaft in die Tiefe fuhr. Noch hörten
sie die Musik und das Gejohle, als nur noch der Kaminhut zu sehen war.
Ein grosser Wassertümpel bezeichnet die Stelle der einstigen Fröhlichkeit.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger,
Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 21