DIE GEISTERHAND
In Schaan stand nahe beim Gasthause zur Linde ein altes Haus. Alte Leute
erinnern sich noch, dass sie als Kinder nie hineingegangen seien, weil
es drin nicht geheuer war. Dort wohnte einst ein alter Vater mit seinem
Sohne. Einmal prahlte der Jüngling vor seinen Kameraden, als sie
von Geistern sprachen: "Mir sollte nur einmal so ein Geist kommen,
ich würde schnell mit ihm fertig".
Als er am Abend mit dem Vater in der Stube sass, klopfte es an der Tür.
Der Vater wollte öffnen, doch der Sohn, der totenblass geworden war,
kam ihm zuvor. Draussen stand ein Geist und gab ihm ein Zeichen, ihm zu
folgen. Er befahl ihm, eine Haue mitzunehmen, und nun führte er den
Jüngling durch die Bündt auf eine Wiese und zu einem Markstein.
Dort befahl der Geist seinem Begleiter, den Stein wieder an die richtige
Stelle zu setzen, und dieser tat, was ihm befohlen war.
Nachdem das Werk vollendet war, dankte ihm der Geist und streckte ihm
seine Hand hin, doch der Jüngling wusste, dass man einem Geiste die
Hand nicht geben darf, und er hielt ihm den Hauenstiel hin, den dieser
ergriff.
Daheim sah der Sohn, noch ganz verstört von seinem Abenteuer, etwas
Unheimliches: In den Hauenstiel war eine schwarze Hand eingebrannt. Bald
nach dieser Begegnung wurde der Jüngling krank, vielleicht auch vom
Schrecken, und starb. Die Haue mit der eingebrannten Hand habe man später
noch gesehen, aber als das Haus abgebrochen wurde, war sie nicht mehr
zu finden.
Auch in der Resch in Schaan geistete ein Marksteinversetzer, der sich
in mancher Nacht an Grenzpfosten zu schaffen machte und dabei laut jammernd
zu hören war.
Quelle: Sagen aus Liechtenstein, Otto Seger,
Nendeln/Liechtenstein, 1966/1980, Nr. 37