20. [Vernichtung des Todes, Verschiedene Bräuche]
In der Umgegend von Chrudim versammeln sich vor dem schwarzen Sonntage (14 Tage vor Ostern) einige Dorfknaben beim Richter und machen sich einen Tod. Sie nehmen zwei Stangen, eine kurze und eine längere, binden die kürzere an die längere so an, daß daraus die Form eines Kreuzes entsteht. An den obern Theil binden sie einen Kopf, welcher mit einer weißen Larve versehen ist. An dem Kopfe befestigen sie ein Hemd, so daß der obere Theil der Hemdärmel gerade das Ende der Querstange erreicht. Manchmal bindet man eine Sichel an die Hand. Wenn nun die Figur fertig gemacht ist, so trägt man sie zum reichsten Gutsbesitzer. Am Sonntage früh holen die Knaben den Tod und gehen mit Begleitung einer Musik, einiger Bauern und Mädchen zum nächstgelegenen Bache oder zu einem Teiche. Dort stellen sich alle in eine Reihe, einer von den Burschen wirft den Tod in das Wasser und gleich rennen alle hinein. Sobald der Tod von einem aufgefangen ist, darf niemand ins Wasser, was immer durch ein gewisses Zeichen kundgemacht wird. Derjenige, der gar nicht oder spät in das Wasser gekommen ist, der wird in demselben Jahre sterben. Beim Rückzuge muß dieser den Tod tragen, als Zeichen, daß er zum letzten Male dieser Belustigung beigewohnt hat. Einige Schritte hinter ihm gehen die übrigen, begleitet von Musik. Darauf wird der Tod verbrannt.
In Mähren verfertigen die Mädchen eine weibliche Puppe, die den Tod vorstellt, und tragen sie auf einer hohen Stange mit zahlreichem Geleit zum Dorfe hinaus.
An manchen Orten Böhmens (Schönfeld u. a.) wird der „Türke hinter die Stadt gejagt“, und man singt zur h. Margareth, sie möge bald den Sommer geben.
In Dalleschitz (Mähren) wird am dritten Sonntage vor Ostern der Tod ausgetragen, und zwar ebenfalls, von den Mädchen. Die Figur hat weibliche Kleidung.
Auch im österreichischen Schlesien wird der Tod in weißem, weiblichem Anzuge von Mädchen ausgetragen und ins Wasser geworfen. Dieser dritte Sonntag vor Ostern heißt „Todsonntag“. Auf dem Heimwege tragen sie einen geschmückten Tannenzweig und singen:
Den Tod haben wir ausgetragen,
den Sommer bringen wir wieder,
den Sommer und den Mai,
der Blümlein allerlei.
An demselben Tage ist auch das Maienfest der Kinder. In dem Liede derselben wird der Mai als Pathe angeredet:
Poth Mai, Poth Mai!
Gebt mir ein Kreuzer und ein Ei!
Eine Strofe heißt:
Die goldne Kett' liegt um das Haus,
die schönste Jungfrau geht heraus,
sie geht in ihrem Rocke,
als wie die schönste Docke.
In den an Schlesien grenzenden mährischen Dörfern wird am weißen Sonntage der Tod ausgejagt, wie man sagt, zum Andenken an die Vertreibung der Mongolen.
In der Umgebung von Weidenau (Schlesien) wird am schwarzen Sonntage oder „Todtensonntage" eine männliche Figur, der „Todtenmann“ auf das Feld getragen und Abends verbrannt. Er heißt der „alte Jude“ und man denkt an den Verräther Judas.
Aus Weidenau ist noch zu erwähnen, daß bei Hochzeiten der „Druschma“ oder „Huchzichpiter“ eine Rolle spielt. Er ladet ein und dient als Spaßmacher, Vorreiter etc. Mehrere Tage vor der Hochzeit sprengt der Druschma, wunderlich geschmückt, mit seinem Pferde durch das Dorf und macht mit Sprüchen seine Einladungen.
Am Inn (bei Braunau in Ober-Österreich) wird ein Strohmann auf einer Bahre aus dem Dorfe getragen und in eine Grube gelegt.
Am Vorabende des Todsonntages (schwarzen Sonntages) versammeln sich in Jägerndorf, Haindorf etc. (Schlesien) die jungen Leute und formen aus alten Kleidern, Heu und Stroh einen Mann, welchen sie in irgend ein Bauernhaus tragen, wo er aufbewart wird. Am genannten Sonntage versammeln sie sich nach dem Gottesdienste vor dem Hause, mit Stöcken, Riemen und Stangen bewaffnet, um den Tod aus dem Dorfe zu jagen. Unter lautem jauchzen und pfeifen wird er von vier Burschen mit Stricken herausgeschleppt und durch das Dorf geschleift, während die andern mit den Stöcken und Riemen auf ihn losschlagen. Sind sie nun mit dem Tode vor dem Dorfe, so schlagen sie den Weg gegen das benachbarte Dorf ein. Haben die Burschen ein Feld erreicht, welches dem andern Dorfe zugehört, so wird der Tod niedergelegt, mit den Stöcken und Stangen arg zugerichtet, und in dem Felde zerstreut.
Das Volk glaubt, daß in jenem Dorfe, wo der Tod ausgetragen wird, keine ansteckende Krankheit ausbreche.
Am Palmsonntage jedes Jahres stopfen die walachischen Mädchen um Rožnau einen weiblichen
Popanz aus, welcher mit Bändern und Blumen geschmückt, auf eine freie Anhöhe getragen wird. Ihnen kommt dann die männliche Jugend nach, schmähet und bewirft die ausgestopfte Figur mit Koth und Steinen. Die Mädchen widersetzen sich und der Kampf endet damit, daß die Mädchen mit Branntwein, die Burschen hingegen von den Mädchen mit gerösteten Erbsen bewirtet werden.
Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 294ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
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