27. [Das Hahnschlagen]

a.)

Der Hahnschlag oder das Hahnschlagen findet an Hochzeiten, im Fasching, zu Pfingsten und an der Kirchweih statt.

Zu Forbes (Budweiser Kreis) besteht folgender Brauch.

Bei der ersten Hochzeit im Faschinge wird ein Hahn getötet. Dieß geschieht auf folgende Art. Schon 14 Tage vorher wird von den zur Hochzeit geladenen Jünglingen ein schöner Hahn gekauft, und gut gefüttert. Am Tage der Vermählung selbst wird ihm ein rothes Mützchen aufgesetzt, manchmal auch ein Röckchen und ein Beinkleid angezogen. So bringt man ihn in die Versammlung, wo er zum Tode verurtheilt wird. Zwei als Bauern verkleidete kommen herein, und klagen über den Hahn. Darauf nimmt einer von den beisitzenden ein Buch in die Hand, stellt den Richter vor, und liest aus diesem Buche das Todesurteil über den Hahn. Alle beisitzenden stimmen bei. Nun verkleidet sich einer als Scharfrichter, nimmt rothe Kleider und einen Säbel, und es zieht dann die ganze Versammlung mit dem Hahne und in Begleitung der Musik in die Mitte des Marktfleckens auf einen erhöhten Rasen. Hier wird der Hahn an die Lehne eines Sessels festgebunden, jedoch so, daß der Hals über der Lehne hervorragt. Nachdem alle umstehenden den Hahn um Verzeihung gebeten, spielt die Musik einen Todtenmarsch, und der Henker haut dem Hahne den Kopf ab. Alsdann wird er losgebunden, und sammt dem Kopfe in das Haus mit Musik zurückgetragen. Die Kläger, welche nicht mitgezogen sind, warten hier auf den Hahnenkopf, der ihnen auf einem Teller gebracht wird. Jetzt legen die verkleideten ihre Kleider ab, und erscheinen in ihrem früheren Anzüge. Der Hahn wird nun gebraten und den Gästen gereicht.

Denselben Gebrauch finden wir auch in der Umgebung von Chrudim, wenn ein reiches Paar am Fasching Hochzeit hält. Junge Hochzeitgäste führen den Hahn an weißen Schnüren zu einem Galgen, der auf einem Platze im Dorfe errichtet ist. Hier wird dem Hahn das Urtheil vorgelesen und der Scharfrichter hängt ihn auf.

b.)

Im Dorfe Walkenstein (Nieder-Österreich) war an Hochzeitstagen folgende Sitte. Man schloß die Braut in einen Kreis ein und brachte den Haushahn, dem man die Flügel stutzte, in den Kreis. Nun jagte die Braut das Thier so lange herum, bis es tot liegen blieb. Dieß ist seit etwa 30 Jahren verboten.

c.)

In österr. Schlesien findet am Aschermittwoch das Hahnschlagen statt. Nachmittags versammeln sich die jungen Bursche gewöhnlich in einem Wirtshause, zieren einen lebenden Hahn mit Bändern und Blumen und stecken ihn dann in einen am Boden durchlöcherten Topf so, daß sein Kopf aus dem Loche hervorschaut. Darauf zieht die Gesellschaft hinaus auf ein ebenes Schneefeld und beginnt dort folgendes Spiel: Der Topf mit dem Hahn wird auf den Boden gestellt, einem durch das Loß oder auf sonstige Weise dazu bestimmten Burschen werden die Augen verbunden und ihm ein Dreschflegel in die Hand gegeben. Dann wird derselbe einige Mal im Kreist herumgeführt damit er die Orientierung verliere, und nun ist es seine Sache, den Hahn zu suchen und mit dem Flegel zu erschlagen. Zuweilen hört er ihn schreien, geht auf ihn los, gleichzeitig wird aber der Hahnenruf da und dort nachgeahmt, der blinde steht, und lauscht, sucht die richtige Stimme heraus zu finden, tappt nach allen Richtungen herum, und führt endlich, bei dem vermeintlichen richtigen Hahn angekommen, seine Schläge. Wenn er ihn nicht trifft, kommt ein anderer Bursch an die Reihe, was so lange wiederholt wird, bis es einem gelingt, den Topf zu zertrümmern und den Hahn darin zu töten. Darauf wird ein fröhliches Mahl gehalten, wobei der gebratene Hahn das Hauptgericht bildet.

In ähnlicher Weise besteht der Hahnenschlag in andern Kronländern, selbst in Ungarn, z. B. in Eisenstadt. Hier geschieht es zu Pfingsten bei dem s. g. Marientempel, wo eine große Menge Volkes sich versammelt. Dieses Volksfest ist aber, wie überall die Volksfeste, im abnehmen begriffen.1)

d).

Am Kirchweihfeste wird um Königinhof (Neurettendorf) alle 5 Jahre der Hahnschlag gefeiert. Auf einem geschmückten Wagen wird in einem Korbe ein Hahn gefahren; Musik, Masken und eine zahlose Menge folgen. Auf dem Hauptplatze angelangt, steigt ein als Mohr gekleideter vom Pferde und befestigt den Hahn an einem Pflocke. Ein Mädchen wird als Hahnbraut gewählt und mit Musik abgeholt. Mit einem Kranze auf dem Kopfe geht die Hahnbraut mit lustigem Gefolge zum Platze. Man bildet einen Kreis um den Pflock, verbindet der Braut die Augen und gibt ihr einen Dreschflegel in die Hand, mit dem sie den Todesstreich führen soll. Dieß muß aber auf den ersten Schlag geschehen, denn es handelt sich darum, ob das Mädchen ein tugendhaftes ist oder nicht 2). Gelingt es, so bewegt sich der Zug mit dem toten Hahn durch das Dorf. Der Hahn wird gebraten, und der Hahnbraut gebührt das erste Stück, und sie tanzt des Abends den ersten Reigen.

1) Über das Hahnschlagen im nördlichen Deutschland s. Kuhn nordd. Sagen S. 391. Vergl. Wolf Beitr. 2,439.
2) Eine andere Art Gottesurtheil s. Wolf Beiträge 2, 440.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 303ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
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