62. [Die schwarze Henne]
In dem vorhergehenden ist die teuflische Natur des Tragerl schon angedeutet, ebenso dessen Verwandlung in ein Huhn. Dieser mythische Zug läßt sich noch weiter verfolgen.
In Trübau (Mähren) herrscht der Volksglaube, daß sich der Teufel in eine schwarze Henne verwandle und durch diese Henne könne man reich werden. Das Ei, welches die schwarze Henne legt, muß man aber 14 Tage unter der Achsel tragen. Auf diese Art wird das Ei ausgebrütet. Das legt man der Henne unter und man wird täglich einen Thaler haben. Läßt man den Thaler mit dem Ei unter der Henne liegen, so hat man am andern Tage schon vier u. s. w. Ein armer Mann traf einst eine schwarze Henne an und nahm sie mit sich. Dadurch ward er allmählich so reich, daß er die Henne wieder los zu werden trachtete. Er gab sie einem Freunde, und dieser wieder einem andern. Der dritte Besitzer aber konnte ihrer nicht los werden, denn als er sie in der Thomasnacht an die Stelle brachte, wo sie gefunden war, kehrte sie wieder zurück. Sogar an seinem Grabe blieb sie so lange, bis das viele Geld unter die Armen vertheilt war.1)
Eine Bäuerin hatte eine schwarze Henne mit feuerrothen Augen. So oft die Frau auf die Henne klopfte, fiel ein Ei. Ein Knecht kam hinter das Geheimnis und zeigte sie dem Richter an. (Aus Wittingau.)
In Cheynow (Böhmen) herrscht der Glaube, daß vollkommen schwarze Kühe, Hunde, Katzen, Hühner etc., im Dienste des Teufels stehen. Trägt man das frisch gelegte Ei einer schwarzen Henne, die das erste Mal legt, neun Tage lang unter dem linken Arm, ohne sich zu waschen und ohne zu beten, so wird aus dem Ei ein Teufelchen2) herausspringen. Das ist dann demselben ganz dienstbar. Ist man des Teufelchens überdrüssig, so kann man seiner um drei Pfennige los werden. Nur um diesen Preis darf man ihn feil bieten, sonst kehrt er wieder zurück. Ist er an den dritten Besitzer gelangt, so kann dieser sich desselben nicht mehr entledigen.
1) Zu den Teufels Opfern gehören auch schwarze Hennen: Vergl. Gr. Myth. 961. Kuhn, nordd. Sag. 516. 540.
2) Neben diabel, diabliček gebraucht man im böhmischen čert, čertik oder čertiček.
Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 260f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, April 2005.