Die kleinen Elementargeister
oder
Wichte und Elbe
Keine Gruppe mythischer Wesen hat sich, gerade in späterer Zeit,
so vollständig ausgebildet und allgemein verbreitet als die der Zwerge,
Wasser- und Hausgeister. Die körperlich im Gegensatze zu ihnen stehenden
Riesen sind das älteste Geschlecht der Götter, und als diese
ihre Macht einbüßten, wandte sich die Fantasie des Volkes jenen
Wesen zu, die ihm näher stehn und über welche es eine gewisse
Herrschaft hat. Schon die Menge der Volkssagen deutet darauf hin, daß
diese Art in ganz Deutschland verbreiteter Mythen meist neuern Ursprungs
ist. Man scheint nicht immer zu beachten, daß diese deutschen Elementargeister
wesentlich abweichen von den nordgermanischen Elben der Heidenzeit, wie
auch die folgenden Mittheilungen zur Genüge darthun.
Schon in der ältesten Zeit waren kleinere und schwächere Wesen
den herrschenden Riesen1) beigesellt, als
aber ihre Herrschaft von Odin und seinen Brüdern vernichtet war,
traten die kleinen Elementargeister allmählich als Beherrscher der
Elemente auf und die riesenhaften Herrscher derselben flüchteten
sich in die Hochgebirge und leben da (z. B. in Tirol) noch fort neben
den Zwergen und Wildleuten.
Die Geister oder Genien des Wassers, der Berge, Wälder und des Hauses
nennt Grimm (M. 408) mit den allgemeinen Namen: Wichte und Elbe (Elben).
Wichte werden nicht bloß Geister sondern auch Menschen genannt (Bösewicht
etc.); von Geistern gebraucht tritt gewöhnlich die Verkleinerungssilbe
hinzu: Wichtlein, mhd. wihtel. Wichtl oder Wichtlein wurde früher
von Zwergen und Hausgeistern (Kobolden) gebraucht (vergl. Schmeller 4,
18). Wie man das Wort im 16. Jahrh. brauchte, geht aus Agricola (1829
Sprichw. 2, S. 13) hervor: "In deutschen landen hat man die kleinen
mendlin geheissen Wichtlichen, Erdmennerchen, gutten hulden und hell keppelin,
und man hat sie gefunden, daß sie schüsseln in der kuchen gewaschen
haben, sie haben der Pferde gewartet, und ist ein won darbey gewesen,
daß wo ein solch Wichtlichen sey, da sey eitel glück und gedeyen."
In Baiern (s. Panzer) und weiter nordwestlich kommt die Benennung in Volkssagen
noch vor, in Österreich habe ich sie nicht gefunden. Hier in Nied.
Österreich wenigstens hat man für kleine Menschengestalten folgende
Ausdrücke. Klein gewachsene Kinder nennt man: Negerl oder kloani
Negerl; Bauxl oder Bauxerl; Binkl, Nigl, Pumpernigl, Fistnigl, Stuzl,
Sterzl. Ältere Kinder oder kleine Leute heißt man: Knerzl,
Zwergl. Die Benennung der mythischen Wesen findet sich in den einzelnen
Sagen. Von einem Wichtl habe ich nirgend gehört, eben so wenig von
Elben. Letzteres, vom altdeutschen alp (Genius), ist nur als Elf (engl.
und nord. Form), Elfen durch Bücher bekannt. Vergl, Gr. M. 411 fg.
Wir haben das Wort zu der Überschrift gesetzt, weil es in der deutschen
Mythologie als allgemeine Benennung üblich geworden ist.
1) Vergl. Weinhold, die Riesen, Wien 1858.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 159f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.