3. [Das Gojmagoj Regiment]
Unweit des mährischen Molkenkurortes Ronau befindet sich der
Berg Radhost.
Vor langer Zeit weidete an diesem Berge ein Hirt seine zahlreiche Herde.
Er umgieng gewöhnlich, bevor er seinen Weideplatz verlassen hatte,
den ganzen Berg. Als er eines Abends am Abhange stund, sah er eine ihm
unbekannte Grube. Voll Neugierde spang er in diese und fand dort einen
unterirdischen Gang, den er verfolgte. Zu seiner Überraschung kam
er in ein großes Zimmer, in welchem viele als Feldherrn gekleidete
Männer schliefen. Der Hirt erschrack über diese Wundererscheinung,
gieug aber doch weiter, und da erblickte er ein gesatteltes Pferd, bei
welchem einer der Führer stand, den einen Fuß an, Boden, den
andern im Steigbügel haltend.
Als er aber in das Innere des Gemaches kam, gewarte er mehrere am Boden
schlafende, und einen beim Tisch sitzenden und schlummernden Feldherrn,
der einen sehr langen geflochtenen Bart hatte, der mehrere Windungen um
den Tisch machte. Durch das Geräusch des eintretenden Hirten wurden
einige wach und einer von ihnen fragte den Hirten, was er da wolle. Er
bat um Verzeihung und sagte, er könne den Weg nicht hinaus finden.
Nach einer Weile erhoben mehrere schlumernde ihre Häupter und fragten,
ob es Zeit sei. "Es ist noch nicht Zeit" bekamen sie zur Antwort.
Nachdem nun alle Männer wach waren, und der Hirt aus Furcht nochmals
um Verzeihung bat, so stund einer vom Tische auf und sprach zu dem Hirten:
Du siehst hier die Führer eines in diesem Berge wohnenden Heeres,
welches den Namen "Gojmagoj Regiment" führt. Wir sind vor
sehr langer Zeit von der Erde verschlungen und euch über uns wohnenden
verschwunden; unsere Bestimmung aber ist: den ewigen Frieden herzustellen.
Sollte je einst die Zeit erscheinen, in welcher kein Mittel mehr den Frieden
herzustellen vermöchte, so werden unsere Männer diesen Berg
verlassen und mit ihrem Schwerte den ewigen Frieden erkämpfen. Jedoch
muß mein Bart erst eine Länge erreichen, daß er sich
dreimal um den Bergabhang winden lässt. Sieh diesen Herrn, unseren
Führer (da zeigte er auf den beim Rosse stehenden Feldherrn), er
ist immer in Bereitschaft, so daß, wenn die Stunde erscheint, er
sich nur auf sein Roß zu schwingen hat, um die Befehle zu ertheilen.
Nun gehe woher du gekommen und erzähle alles was du gesehen und gehört
hast. Der Hirt verfolgte den unterirdischen Gang, und kam glücklich
nach Hause. Sogleich erzählte er allen Dorfbewohnern dieses Abenteuer.
Sie begaben sich dann mit dem Hirten auf jenen Berg, allein ihre Bemühungen
waren vergebens, sie konnten nicht einmal die Gegend finden, wo dem Hirten
so wunderbares begegnet war.
Kurz nach dieser Begebenheit fand man ein kleines im Innern des Berges
entspringendes Bächlein, dessen Wasser sehr unrein war, und einen
dem Pferdemiste ähnlichen Geruch verbreitete. Man glaubt allgemein,
das sei der Abfluß des Mistes, der von den Pferden des Gojmagoj-Regimentes
herrühre. Die Höhlen des Berges Radhost sollen Gold enthalten
und auf seinem Gipfel soll ein Tempel des Radigast gestanden sein.1)
1) Über Radigast s. Grimm Myth. 227, 228.
Hanusch, slaw. Mythus 110 ff. Nr. 3 und 4 sind mir von Ed. Jahutka (aus
Mähren) erzählt.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 112f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.