1. [Riesen]
Vor einigen Jahren hat man in Auschwitz (Westgalizien) einen Zahn von ungeheurer Größe gefunden. Die Leute sagen, das sei der Zahn eines Riesen. Nach dem dortigen Volksglauben lebten in uralter Zeit Menschen von ungeheuerer Gestalt, Größe und Stärke. Sie waren so groß, daß sie meilenweite Sprünge machen konnten. Auch besaßen sie zu ihrer Größe eine verhältnismäßige Stärke. So z. B. gieng einst ein junger Knabe eines Riesen hinaus, und sah eine Menge Bauern ackern. Er nahm sie sammt Pferden und Ochsen mit der grösten Leichtigkeit in sein Schnupftüchel, und zeigte sie dem Vater. Siehe diese kleinen Würmlein! sprach er. Der Vater befahl ihm aber, sie wieder dort hin zu tragen, von wo er sie genommen habe.
Gewaltige Bäume waren ihre Waffen. - Endlich wurden sie, als sie sich einst im Felde befanden, von einer Zauberin verzaubert. Überall wo ein Berg steht, liegt ein solcher Riese, und der Berg selbst ist nur der Helm des Riesen, während sein Körper tief in die Erde hineinreicht. Sie werden aber am Ende der Welt wieder empor kommen, und erst die Menschen, dann sich selbst verzehren.
Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 357
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Juli 2005.