12. [Der Hastrmann in der Mühle]
Unweit der Stadt Moldautein auf dem rechten Ufer der Moldau befindet
sich eine Mühle, die schon sehr alt ist. Dieselbe liegt einsam in
dem von hohen und bewaldeten Bergen umschlossenen Moldauthale. Von dieser
Mühle erzählt sich das Volk folgendes.
Der frühere Besitzer derselben war ein ungerechter hartherziger Mann,
welcher die Mahlgäste auf jede mögliche Art bestal und daher
bei dem Landvolke in einem üblen Rufe stand. Die Leute verfluchten
den Müller und wünschten er möge bestraft werden, daß
er das Geld wieder so verliere, wie er dazu gekommen. Bald darauf war
das Gerücht allgemein, daß es in der Mühle spuke. Jeder
der nur konnte vermied die Mühle und fuhr das Getreide lieber um
einige Stunden weiter. Sobald es nur zu dämmern anfieng, eilte alles
aus der Mühle in das auf dem Berge liegende Dorf. Der Müller
sah dieses als eine Strafe Gottes an und bereute seinen Fehltritts indessen
war es zu spät. So oft er auch die Leute bat, sie möchten ihm
sagen wie er dieses Gespenst losbringen könne, niemand gab ihm Aufschluß.
Der Müller beschloß daher die Mühle zu verlassen. Den
letzten Tag vor seiner Abreise kam in die Mühle ein Komödiant
mit einigen Affen, Papagaien und andern Thieren [Tieren], und bat den
Müller, welcher eben im Begriffe war die Mühle zu verlassen,
er möge ihn hier übernachten lassen. Ich rathe es euch nicht
Freund, antwortete der Müller, denn es könnte euch das Leben
kosten. Ein Gespenst treibt hier in der Nacht wilden Unfug. Keiner konnte
es bis jetzt vertreiben, trotzdem daß ich einem solchen die Hälfte
meines Reichtums versprach. Der Komödiant erwiederte darauf: Lasst
mich nur hier übernachten, ich will das Gespenst schon zum Teufel
jagen. Ihr müst aber euer Versprechen halten. Gebt mir nur jetzt
Licht, dann etwas zu essen und zu trinken. Für das übrige werde
ich sorgen. Der Müller brachte das verlangte in das Gesindezimmer
(alanda), wohin sich auch der Komödiant mit seinen Thieren
begab, und gieng fort. Um eilf Uhr sielen durch die Decke des Zimmers
zwei menschliche Füße auf den Boden. Das Geräusch weckte
den bereits eingeschlafenen. Er blieb nun wach und erwartete, was weiter
geschehen werde. Als die Uhr ein Viertel auf zwölf zeigte, fiel eine
Hand, um halb die zweite und um drei Viertel der Leib. Um die zwölfte
Stunde blieben die Räder stehn, das Wasser rauschte viel stärker
und mit großem Geräusche fiel ein Kopf mit langen grünen
Haaren herab, und die Theile vereinigten sich zu dem Hastrmann, der nun
in dem Zimmer einige Zeit herumsprang, dann vor dem Komödianten stehen
blieb und ihm drohte. Derselbe ließ sich jedoch nicht schrecken
und schickte einen Affen nach dem andern auf den Hastrmann. Jetzt entstand
ein blutiger Kampf, der zur Folge hatte, daß der Wassermann ganz
mit Blut bedeckt entfloh. In der Früh kam der Müller, und als
er vom Komödianten gehört wie die Geschichte geendet habe, gab
er ihm das versprochene Geld, mit dem sich derselbe fort machte. Der Müller
zog nun in die Mühle ein und wurde ein ganz anderer Mensch. Eines
Abends klopfte jemand an das Fenster und fragte: Hast du noch die Katze?
-Der Müller erschrack, da er die Stimme des Hastrmannes erkannte
und sagte: Ja ich habe sie noch und 6 Junge dazu, die sie unlängst
geworfen hat. Da komme ich nimmermehr in deine Mühle, antwortete
der Hastrmann und eilte in's Wasser.1)
1) Alle Überlieferungen aus Moldautein sind
mir vom Herrn Karl Procháska erzählt.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 180ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.