2. [Die blinden Fische]

Einst kam ein Hirt an die Quelle der Mira1) um dort zu trinken; er fand aber dieselbe eingetrocknet. Eben als er unwillig darüber sich entfernen wollte, kam das Seemännchen aus dem Berge, schlug an die Felsen, und Wasser quoll in großer Menge hervor. Nachdem der Hirt seinen Durst gestillt hatte, bat er das Männchen auch um Speisen. Dieser schlug mit seinem Stocke in das Wasser und es wimmelte alles von Forellen. Darnach gab er dem Hirten den Stock mit der Bemerkung, wenn er Forellen wolle, so solle er ihn in das Wasser tauchen, und dann wieder herausziehen. Von jedem Fische müsse er ihm aber einen Theil überlassen. Der Hirt nahm die erste Forelle aus dem Bache, stach derselben die Augen aus und warf sie dem Männchen vor die Füße, Das Männchen aber verschwand Rache schnaubend unter großem Getöse. Der Hirt grub jetzt den Stab unter der Quelle ein, so daß immer Wasser fließt. In diesem Wasser befinden sich seitdem lauter blinde Forellen.(Aus Ips [Ypps an der Donau])

1) Im Unterberg bei Muckendorf befindet sich der Mirasee. In diesem weilt das Seemännchen; es steigt zuweilen aus der Tiefe des Mirasees, kommt aus dei tiefen Höhle des Unterberges und zeigt sich den Menschen.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 166
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.