6. [Der dankbare Wassermann]
Ein Knabe aus dem Dorfe Windhaag (bei Waidhofen N. Ö.) war seinen
Eltern davon gelaufen und kam an einen kleinen Fluß. Dort vernahm
er ein Geächze, und als er sich näherte, sah er einen "Zwerg",
welcher blutete. Mitleidig fragte er ihn, was geschehen sei, und der Zwerg
erzählte ihm, daß er auf der Jagd ein Bein gebrochen habe.
Er bat den Knaben, er möge ihn doch in das Wasser werfen. Der Knabe
that es und der Zwerg gieng unter. Dann setzte er seinen Weg fort und
kam über eine Brücke. Diese wankte und stürzte mit ihm
ein, so daß er alles Bewustsein verlor. Als er zu sich kam, sah
er sich in einem kristallenen Palaste, und jener Mann, welchen er in das
Wasser geworfen hatte, stund an seinem Lager und sagte: Ich danke dir
für den Dienst, den du mir erwiesen hast und bin froh mich dankbar
zeigen zu können. Ich bin der Beherrscher dieses Flusses, und der
Palast in dem du dich befindest ist mein Eigentum. Der Knabe war nicht
wenig überrascht, stand auf, und kleidete sich rasch an. Der Wassermann
führte ihn nun im ganzen Gebäude herum, zeigte ihm alle seine
Schätze, und erlaubte ihm davon zu nehmen so viel er wolle. Der Knabe
füllte sich alle Taschen voll an und wurde dann von dem Zwerge wieder
auf die Erde zurückgebracht. Freudig kehrte er zu seinen Eltern zurück,
welche nicht wenig erstaunten, ihn mit einem solchen Reichtume ankommen
zu sehen.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 171
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.