9. [Ein Wassermann gefangen]
Das südliche Böhmen ist sehr reich an Fischteichen. In denselben
sind Wassermännchen, die geschildert werden als Zwerge von 2-3' Höhe,
bekleidet mit grünen Beinkleidern, grünem Fracke und langen
flatternden Haaren von derselben Farbe.
Nahe bei dem Dorfe Dobrawitz (bei Budweis) befindet sich ein Teich, der
früher einen Wassermann beherbergte. Eines Tages spielten mehrere
Kinder unweit des Dorfes, Plötzlich gesellte sich ein Mann zu ihnen,
ohne daß sie wüsten, wo er hergekommen war. Er nahm eine eigentümlich
geschnitzte Flöte aus seiner Tasche und blies darauf einige Weisen.
Die Dorfjugend wurde dabei ganz lustig, sprang und jauchzte.
Pfeifend entfernte sich der Flötenspieler, und die Kinder waren schon
so bezaubert von der Macht der nie gehörten Weisen, daß ihm
alle folgten, mit Ausnahme eines einzigen, welches zurückblieb, um
zu beobachten, wohin die andern giengen. Da sah es nun, wie sich der Mann,
und mit ihm die Kinder dem Teiche näherten, wie er mit einem Stäbchen
auf die Oberfläche des Wassers schlug, und nachdem sich dieses geöffnet
hatte, mit den Kindern in die Öffnung hinabstieg; das Wasser schloß
sich dann wieder.
Schreiend lief das zurückgebliebene Kind nach dem Dorfe zurück,
wo sich die Schreckensnachricht sogleich verbreitete. Es wurde beschlossen,
dem Wassermanne aufzulauern und ihn zu fangen, da er nur im Wasser mächtig,
auf dem Lande hingegen machtlos ist. Lange spähte man vergebens.
Endlich gelang es doch. Der Wassermann befand sich eben auf einem Spaziergange,
als er überfallen wurde Da er keinen Ausweg sah, fieng er an die
Erde aufzuwühlen, als suche er Wasser. Doch alle seine Bemühungen
nützten ihm nichts; er wurde von den erbitterten Bauern gefangen,
mit Baststricken gebunden, und gutbewacht in das Dorf geführt.
Was war das für eine Freude für Jung und Alt im Dorfe, als man
den so allgemein gefürchteten Wassermann gefangen daher brachte!
Gleich des andern Tages fieng das Verhör an; er wurde gefragt, wo
die Kinder seien, die er mit sich fortgeführt habe; doch es war kein
Wort aus ihm heraus zu bringen. Endlich drohte man, daß er lebendig
am Feuer gebraten würde - und das wirkte. Er bat um Schonung, oder
wenigstens um einen andern Tod, als den durch Feuer; er versprach auch,
die Kinder alle wieder frei zu geben und diese Gegend für immer zu
verlassen. Man versprach ihm Schonung, wenn er die Kinder sogleich herbeischaffe,
und dann diese Gegend verlasse. - Er versprach das erstere, bat jedoch
um acht Tage Zeit zum weiterziehen, und bestimmte schließlich noch
den Tag und die Stunde, wann er aus dieser Gegend scheiden wolle, und
erlaubte allen zuzusehen, wenn er weiter reisen würde. Man glaubte
ihm und entließ ihn der Haft.
Noch denselben Tag kamen die Kinder zurück, wusten aber auf die vielen
Fragen nichts zu erzählen, als das, wie sie miteinander gespielt
und dann geschlafen hätten.
An dem von dem Wassermanne bestimmten Tage versammelten sich alle Dorfbewohner;
jeder wollte selbst sehen, ob der Wassermann wegziehe. Kaum hatte die
bestimmte Stunde geschlagen, so sah man aus den Fluten einen kleinen Karren
kommen, der von vier schwarzen Wesen, welche aussahen wie Katzen, gezogen
wurde. Der Karren war mit vielen wunderlich geformten Geräten beladen,
oben auf aber saß der Wassermann, eine Pfeife rauchend, und mit
der Peitsche knallend. Das niedliche Gespann bewegte sich mit außerordentlicher
Schnelligkeit, und war in kurzer Zeit allen aus den Augen entschwunden.
Seit jener Zeit ward von einem Wassermanne in dieser Gegend nichts mehr
gehört noch gesehen.
Im Budweiser Kreise ist die Benennung Hastrmann allgemein. Bei
Wittingau ist der Wassermann gesehen worden, wie er sich kämmt, als
Jäger in grüner Kleidung und mit grünem rundem Hütlein;
aus dem linken Schoße träufelt fortwährend Wasser. Dieser
letztere Zug ist allgemein, wie auch der, daß er auf dem Lande gegen
die Menschen keine Gewalt habe.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 175ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.