14. [Die Zehnteufelshöle]
Im Sacherbacher Walde, unweit der Stadt Horn (Nied. Östr.) befindet
sich eine Höhle, von welcher in dem nahe liegenden Dörfern Stallegg
und Laingrub folgende Sage verbreitet ist.
Vor mehreren hundert Jahren, als die Einwohner in jener Gegend von dem
heranrückenden Feinde schwer bedrängt wurden, flüchtete
sich eine Mutter mit ihrem Kinde und einer Kuh, welche ihnen die nöthige
Nahrung geben sollte, in den Sacherbacher Wald, in welchem sie eine Höhle
fanden, wo sie sich einhausten. Anfangs lobten sie Gott, daß er
sie so glücklich dem Feinde entkommen ließ, aber da sie längere
Zeit in dem Walde leben musten, so fiengen sie an Gott zu lästern,
und die Mutter des Kindes fasste den Entschluß, sich mit dem Teufel
einzulassen. Gedacht, gethan! In der Christofsnacht um die zwölfte
Stunde gieng sie an einen Kreuzweg, sprach dort das dazu erforderliche
Gebet (Christofsgebet) dreimal, ohne dabei ein Wort auszulassen, und machte,
als dasselbe zu Ende war, mit einem von Kreide bestrichenen Stabe den
Hechsenfuß in der Luft. Alsbald ließ sich ein Getrapp von
Pferden hören, sie sah sich um und bemerkt ein ihrer Nähe einen
Schimmel mit3 Füßen, von welchem ein Mann abstieg und sich
hinkend mit einem Sacke auf dem Buckel ihr näherte. So, sagte er,
unterschreibe dich hier mit deinem eigenen Blute. Sie schnitt sich in
den Finger, tunkte die Feder ein, legte das Papier auf den niedergestellten
Sack und schrieb ihren Namen: "Neunteufel". Als der Teufel den
Namen las, stieg er eiligst auf sein Pferd und jagte mit Windesschnelligkeit
davon. In der Eile hat er aber den Sack zurückgelassen. Jene nahm
erfreut den Sack und gieng in ihre Höhle; dort öffnete sie denselben
und sah zu ihrem grösten Erstaunen lauter Goldstücke. Als es
Morgen geworden war, schickte sie ihr Kind mit mehreren Goldstücken
in das Dorf, um etwas zu .kaufen. Nach einigen Stunden kam das Kind mit
reichlicher Nahrung, und sie ließen sich's wohl schmecken. Als es
Abend war, legten sie sich aus ihr aus Laub und Nadeln gemachtes Bett,
wo sie bald einschliefen. In der Nacht hörten sie ein fürchterliches
Gebrüll; der Teufel erschien ihnen, ergriff sie beiden Haaren, und
log mit ihnen in die Luft. Die Höhle ward von nun an die Zehnteufelshöhle
genannt. Noch jetzt sieht man in jener Höhle einen Stein, der Ähnlichkeit
mit einer Kuh hat, welche dort versteinert wurde. Die Leute sagen, der
Teufel sei über den Namen Neunteufel so erschrocken, daß er
seinen Geldsack zurückgelassen habe.
Das Christofolusgebet wird im Aberglauben des Volkes in Österreich
oft genannt. Es wird vor der Schatzgrabung gesprochen und beginnt nach
einer Mittheilung aus Trübau (Mähren): "Heute Gold, Silber,
Perlen, Edelsteine, stehet stille! So wahr Christus der Herr gestorben
ist; sein Kreuz überschatte dich und mich, bis ich dich in meinen
Händen habe, ohne Gestank, ohne Verrückung und ohne Verwandlung!"
Ohne umzusehen wird dann gegraben, und sobald der Schatz offen liegt,
wirft man einen Rosenkranz darauf.
Quelle: Mythen und Bräuche
des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 32ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.