21. [Einer läßt sein Roß beschlagen]
Es mag bei fünfzig Jahre sein, da lebte zu Alland ein Schmied. Zu
dem ist einmal im Winter um Mitternacht ein unbekannter Mann gekommen,
hat am Fenster geklopft und gerufen, der Schmied möge aufstehen,
er habe mit ihm etwas zu reden Der Schmied ist aufgestanden und hat gefragt,
was er wolle? Da bat ihn der Mann, er möchte mehrere Hufeisen nehmen
und mit ihm zum "Engelkreuz" 1)
gehen, und daselbst sein Roß beschlagen, weil es ihm fortwährend
ausglitsche. Der Schmid wollte nicht recht einwilligen, machte Einwendungen
und sagte, es sei halt so schwer, auf der Straße und ohne Feuer
beschlagen, und noch dazu so weit weg. Weil aber der Mann so sehr bat,
so gieng er endlich mit.
Wie sie zum "Engelkreuz" kommen, steht das Roß da. Jetzt
hebt ihm der Schmied den Hinterfuß auf und paßt das Hufeisen
an. Wie er aber den ersten Nagel hineinschlägt, so fängt das
Roß zu reden an und sagt: "G'vatter nit so tiaf!" Über
das hat sich der Schmied sehr entsetzt, und ist bald davongegangen. Der
unbekannte Mann aber hat ihn noch zuvor reichlich belohnt.2)
1) Das Engelkreuz ist ein steinernes Kreuz unweit
Heil, Kreuz an der Straße nach Alland. Seinen Namen hat es daher,
weil daneben ein ebenfalls steinernes Bild des heil. Schutzengels steht.
2) Auch der wandernde Wuotan kehrt Abends bei einem Schmiede ein und läßt
sein Roß beschlagen. Vergl. Wolfs Beiträge 1,28.
Quelle: Mythen und Bräuche
des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 46f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.