5. [Der Regenmann]
In Amstetten (Nieder-Österreich V. O. W. W.) lebte eine arme Bauernfamilie. Vergebens suchten einst die ältern Knaben Beschäftigung bei einem Kohlenbrenner. Sie lagen gerade im Walde, als plötzlich ein großer Mann vor ihnen stand, der in einen weiten Mantel gehüllt war, und auf einem großen Schimmel saß. Sie klagten ihm ihre Noth, und er bestellte sie auf den folgenden Tag, er wolle ihnen dann Arbeit geben. Diese bestund darin, daß sie auf dem höchsten Punkte des Berges einen kleinen Hügel machen sollten. Das geschah, und am Abend eines jeden Tages fanden sie ihren Lohn auf einem Steine liegen. Nach acht Tagen waren sie fertig und als sie eines Morgens zum Fenster hinaussahen, erblickten sie den Gipfel des Berges in Wolken gehüllt. Und so oft ein Gewitter entstand, schien der ganze Berg in Feuer zu stehen. Manchmal sahen die Bewohner von Amstetten einen großen Mann auf einem weißen Rosse hinaufreiten, und das bedeutet dann immer Regen. Lange Jahre hindurch soll der Gipfel des Berges mit Wolken bedeckt geblieben sein, und niemand wagte es hinauf zu gehen, bis eines Tages die Wolken verschwunden waren. Noch immer sagt man, wenn Nebel auf dem Berge ist:"der Mann ist oben".1)
1) Wode als Regengott, Wolkenmantel s. Wolfs Beitr.
1,3 ff.
Quelle: Mythen und Bräuche
des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 25
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.