14. [Der Sackträger]
Die Toten werden auch getragen und zwar unmittelbar in die Hölle,
wie folgende Sage zeigt, die wahrscheinlich slavischen Ursprungs ist.
In Mähren bei em Markte Rossitz (westlich von Brünn) liegt der
sumpfige Entensee. Ein Vogelsteller von Bellitz war eines Tages in die
nahen Waldungen gegangen .Da begegnete ihm ein Mann in seltsamer Tracht,
der trug einen Weißen Sack (wie die Aschen- oder Pöpelsträger
in Mähren) auf dem Rücken; darin zappelte etwas und er schien
übeln Geruch zu verbreiten. Der Vogler fragte was er da trage und
der Fremde antwortete, wenn er eine Strecke mit ihm gehen wolle, so werde
er es sehen. Sie giengen auf den Entensee zu, bei welchem es nach dem
Volksglauben nicht geheuer sein soll. Oberhalb des Sees ist die Teufelskanzel,
in deren Nähe der Teufel oft in Bocksgestalt sichtbar sein soll.
Als der Sumpf erreicht war, hieß der Fremde seinen Begleiter thun,
was er selbst thue, und zog seinen linken Schuh aus, welcher roth und
mit Kreuzen bezeichnet war. Der Vogler that das auch. Dann sprang der
Fremde von einem kleinen Hügel in den See hinab. Der Vogler folgte,
es geschah ein Donnerschlag und tiefe Nacht umgab beide. Sie fanden sich
in einem Gewölbe wieder, der Fremde stund bei einer Eisenthür
stille und deutete seinem Begleiter an, er solle schweigen. Dann nahm
er seinen Sack vom Rücken und trat mit dem bekreuzten Schuh gegen
die Thür. Diese flog krachend auf und eine Feuersäule stieg
lodernd empor. In diese Glut schleuderte der Fremde den Sack. Der Vogler
zitterte vor Angst, bis der Fremde die Eisenpforte zuwarf und ihn mit
sich fort riß. An demselben Tage gieng ein Jäger durch den
Wald beim Entensee, und hörte unter der Teufelskanzel ein klägliches
Gewimmer; er sah den halbtoten Vogler, der ihm das Begegnis erzählte.
Noch trug er den seltsam bekreuzten rothen Schuh, seine Kleidung war ganz
zerfetzt. Als man einige Stunden darauf den Leichnam des Voglers aus dem
Walde trug, stund auf der Teufelskanzel ein großer Bock und meckerte
höhnisch.
Der Fremde, fügte der Erzähler hinzu, war ein Popanz- oder Pöpelsträger,
derd urch Formeln und Sprüche die Poltergeister zu fragen versteht
und sie in Säcken an Orte trägt, wo sie gebannt bleiben. Und
ein solcher Ort war der Entensee unter der Teufelskanzel.
Die mythischen Züge in dieser Überlieferung scheinen späteren Ursprungs zu sein. Daß der Teufel die Toten in Säcken trage, ist eine ganz volkstümliche Vorstellung; ich möchte sogar vermuten, dass der Buckel, der dem Dodamanderl aufgebürdet wird, mit derselben Vorstellung zusammenhängt. Wenigstens habe ich in Westfalen gehört, daß man von einem höckerigen sagt, er trage ein Juwelenkästchen.1) Jener Popanzträger ("Pöpelsträger" in Mähren) hat, wie der Tod überhaupt, Berührungen mit elbischen Wesen; ein Hauskobold hieß in Schwaben der Poppele, an andern Orten Pöpel etc. (Grimm M. 473). Der Poppele auf Hohenkrähen (Meier schwäb. Sag. 2, Nr. 85) fährt sogar mit 4 schwarzen Rappen (Seite 80). Bei Panzer (bair. Sag. 2, S. 106) kommt ein Waldpöpel vor, der Rathhauspöpel in Kronach (Panzer 2, S, 199) buckelte sich nachts den Leuten auf, und seine Identität mit dem Tode geht aus jener Sage (S. 110) deutlich hervor. In der Sage Nr. 170 fährt der "Aschama" auf einem Wagen und macht fürchterlichen Lärm, er lockt jeden auf den Wagen und wirft ihn in einen Weiher.
Wir erwähnen noch eines Volksspieles im nördlichen Böhmen, bei welchem ein Engel und ein Teufel mitwirken. Dieser tritt ein, einen Sack auf der Schulter tragend. Auf die Frage: wer ist da? antwortet er: der Teufel mit dem Sirupsacke.
So denkt sich also das Volk den, der nach dem Leben die Menschen abholt, fahrend und tragend, unter allerlei schreckhaften Gestalten. Die ursprüngliche Todesgottheit verkehrt es in den Teufel oder in ein anderes Wesen, das der menschlichen Natur näher steht. Das Volk spinnt seinen Naturglauben fort - neben dem Christentum, und dieß wird so so lange gehen, als überhaupt die Volksdichtung eine lebenskräftige Wurzel hat.
In dem Zeiträume der reinen Naturreligion der Germanen war Hellia
oder Hel die Todesgöttin, die mit Pferd oder Wagen durchs Land zog
(Gr. M. 290). Dann schwand der persönliche Begriff, und das Wort
bezeichnete den Ort der Strafe (Helle, Hölle). 2) Im folgenden Zeiträume
trat eine männliche Gottheit an ihre Stelle (Wuotan-Hermes). Und
als der Kampf des Heidentums mit der Kirche anbrach, mengten sich christliche
Ideen mit den altherkömmlichen; der Teufel errang ein weites Gebiet,
elbische Elemente traten dazwischen, die heidnischen Vorstellungen flüchteten
sich in's Versteck und es entstanden die Fantasiebilder, die wir oben
vorgeführt haben.
1) Vergl. auch meine Alpensagen 418. Rochholz
alem. Kinderl. 439, wo dem Teufel ein "Cholesack" und ein Tragkorb
beigelegt wird.
2) Helle bezeichnet noch jetzt einen verborgenen Ort, z. B. in Rickenbach
(Kant. Zürich) heißt so eine Vertiefung im Dorfe, in Warnsdorf
(nördl. Böhmen u. a. O.) nennt man Helle den Winkel hinter dem
Ofen.
Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in
Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 86ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.