8. [Der Totgeglaubte kommt auf einem Schimmel wieder]

Es war einmal ein Kaufmannssohn, der die Tochter eines andern Kaufmanns heiratete. Sie versprachen sich gegenseitig, daß, wenn eines von ihnen sterbe, das andere nicht mehr heiraten solle. Als sie schon längere Zeit mit einander gelebt hatten, machte er eine weite Reise. Schon war eine geraume Zeit verflossen, und der Mann war noch nicht zurückgekehrt; auch kein Brief kam von ihm an. Da dachte sie, er müsse gestorben sein, und heiratete einen andern, ohne Rücksicht auf das gemachte Versprechen, Während der Hochzeit kam ein Handwerksbursche, bat um ein Almosen, und verlangte die Braut zu sprechen. Man sagte es ihr, und sie gieng darauf hinaus und gab dem Handwerksburschen etwas. Nachdem dieser herzlich vergelts Gott gesagt hatte, gab er ihr den Rath, sie möchte ihr "Fürtuchbandl" ja nicht binden, sondern nur so hineinstricken, es werde ihr noch von großem Nutzen sein. Und das befolgte sie auch. In der Nacht klopfte jemand beim Fenster an. Sie gieng sogleich hin um zu sehen, was es gebe. Da sah sie ihren ersten Mann draußen auf einem Schimmel. Er sagte ihr, sie solle herauskommen. Sie zog sich geschwind an, vergaß aber nicht, ihr "Fürtuchbandl" bloß hineinzustricken. Als sie hinausgegangen war, setzte er sie zu sich auf seinen Schimmel, und fort gieng's [sic] im Galopp! - Als sie so ritten, sagte er:

Wie scheint der Mond so hell,
wie reiten die Todtenbeiner so schnell;
fürchst dich?

Da sagte sie: wie soll ich mich denn fürchten, bist ja du bei mir! -Als sie wieder eine Weile geritten waren, sagte er nochmal dasselbe, und so noch einigemale. Sie gab darauf immer dieselbe Antwort.

Endlich waren sie zu einem Freithof gekommen, da ritt er gleich über die Mauer hinein. Er stellte dann seine Begleiterin nieder, faßte sie beim Fürtuch, und ritt in ein offenes Grab hinein. Er wollte sie mit hineinreißen, riß aber nur das Fürtuch mit, und sie blieb unversehrt stehen. Da rief er aus dem Grabe heraus: "Dein Glück ist's, sonst hättest du jetzt also lebendig zu mir herein müssen." Darauf schloß sich das Grab.

Sie gieng [sic] dann fort aus dem Freithof [Freidhof], aber die Gegend war ihr ganz fremd. Als sie in einen großen Wald kam, baute sie sich eine Hütte, in welcher sie blieb bis sie starb.1)

1) Johann Wurth, Schullehrer in Münchendorf, der mir Nr., 6, 7, 8 mitgetheilt hat, fügt hinzu: Die Sagen vom "Todtenreiter" [Totenteiter] müssen in Nied. Österreich sehr verbreitet sein, da ich sie noch überall, wo ich hinkam, gehört habe; in Heil. Kreuz [Heiligkreuz], in Münchendorf, in Wien; und in meiner Jugend hörte ich in Trumau verschiedene Personen ähnliches erzählen.


Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 79f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.