Die durchstochene Hand
Zu einem Bauern in Kittsee kam täglich eine Nachbarin, die nur die
Milch von seiner weißen Kuh haben wollte. Da dem Bauern dies verdächtig
vorkam, wollte er der Frau keine Milch mehr verkaufen. Als er am folgenden
Morgen die weiße Kuh molk, gab sie blutige Milch. Darüber war
der Bauer sehr überrascht, und wie er aufstand und von ungefähr
zum Fenster blickte, sah er dort einen Spielball aus farbigen Tuchresten
liegen, den er in den Hof warf. Abends lag der Ball wieder auf dem Fensterbrett,
und die Kuh gab wieder blutige Milch. Da er dies für ein Hexenwerk
hielt, durchstach er mit einem Spieß den Ball und warf ihn weit
über den Zaun seines Hofes hinaus. Da erschien plötzlich die
verdächtige Frau mit durchstochener blutiger Hand und bat ihn wegen
ihres nun enthüllten Hexentreibens um Verzeihung; er möge sie
nicht verraten, da sie sonst im Dorfe unmöglich wäre. Der Bauer
versprach, die Sache auf sich beruhen zu lassen, verbot ihr aber seinen
Hof. Am folgenden Morgen trieb der Bauer die Kühe auf die Weide.
Als in der Vesperzeit das Vieh wieder in den Stall trottete, wollte die
weiße Kuh nicht in den Hof gehen. Der Nachbar, ein Fleischhauer,
bemerkte dies und meinte, die Kuh sei verhext und müsse geschlachtet
werden, was auch geschah. Kurze Zeit darauf starb die Hexe, und nur der
Bauer wußte, warum es um sie so schnell geschehen war.
Quelle:Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Anton Mailly Wien/Leipzig 1931, Nr. 47, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 45.