Die Farnsammler und der Teufel
In der Thomasnacht (29. Dezember) ereignen sich allerlei Wunder. Der
Samen des Farnkrauts, das in dieser Nacht im Wald blüht, ist heilkräftig
und hat die wunderbare Eigenschaft, drei oder fünf Personen unsichtbar
zu machen, wenn sie den Farnsamen in einem Kirchenkelch auffangen. Er
verleiht dem Besitzer auch die Gabe, verborgene Schätze zu sehen.
Diese Wunderkraft des Farnsamens war vor vielen Jahren dem Mesner von
Goberling bekannt, und er versuchte mit zwei anderen Männern in der
Thomasnacht sein Glück zu machen. Der bucklige Dorfwirt, der in vielen
Zaubersachen erfahren war, belehrte sie, wie sie sich beim Einsammeln
des Farnsamens zu benehmen hätten. Er selber konnte den Weg nicht
mitmachen, da er als Vierter überzählig war.
So schlichen sich denn die drei Farnsucher unter Mitnahme eines Kirchenkelchs, den der Mesner heimlich entlehnt hatte, vor Mitternacht in den Wald, um das große Werk zu vollbringen. Mit geweihter Kreide zogen sie um das Farnkraut einen Zauberkreis und warteten in demselben auf das Wunder, das sich ereignen sollte. Erstaunt gewahrten sie um Mitternacht, wie der Farn zu blühen anfing. Als aber die Blüten abfielen und der Samen zu reifen begann, wandelte sich die Verwunderung der Männer in Schrecken und Furcht; denn ringsumher krachte der Donner, die Erde bebte, und gespenstische Gestalten umringten den Zauberkreis. Endlich fiel der Samen in den Kelch, den sie darunterhielten, die Elemente beruhigten sich, und die schattenhaften Bedränger verschwanden.
Froh über den glücklichen Ausgang des Unternehmens verließen die drei die unheimliche Stätte und traten den Rückweg an. Der Mesner, der den Kelch trug, konnte den beiden andern nicht genug erzählen von den Schätzen, die er vor sich sehe, so daß seine Begleiter lange Zähne bekamen und die verborgenen Herrlichkeiten auch sehen wollten. So trugen sie abwechselnd den Kelch und erlebten dabei ihre Wunder. Da kam ihnen plötzlich der bucklige Wirt entgegen und tat, als ob ihm die Neugierde über den Ausgang ihres Vorhabens keine Ruhe mehr gelassen hätte. Als er hörte, daß sie den Farnsamen richtig gefunden, und was für Schätze sie schon gesehen hätten, wollte er den Samen sehen. Aber die andern konnten sich nicht entschließen, den Deckel vom Kelch zu heben, da sie meinten, der Samen könnte vom Wind weggeweht werden. Nun wurde der Wirt zornig und drohte ihnen, die ganze Sache dem Pfarrer zu verraten. So blieb ihnen nichts übrig, als den Deckel zu lüften. Der Bucklige blickte hinein und blies zu ihrem Schrecken auf einmal den Samen aus dem Kelch; dann war er mit höhnischem Gelächter verschwunden.
Jetzt erkannten die Farnsucher bestürzt, daß es der Teufel
selbst gewesen war, der ihnen in Gestalt des buckligen Wirts entgegengetreten
war und sie überlistet hatte. Mit langen Gesichtern, aber doch todfroh,
daß ihnen kein ärgeres Übel zugestoßen war, trotteten
die drei Männer ihrem Dorf zu.
Quelle: Sagen aus Österreich, Hildegard Pezolt, Wien 1948 (2. Auflage Wien 1950), S. 81f, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 74f.