Die Frau mit der Schlange

Es lebte einst in der Nachbarschaft (von St. Martin, Bezirk Oberpullendorf) eine reiche Bäuerin, die am Fronleichnamstag ihre Magd aufs Feld schickte, um Klee zu holen. Die Magd sagte, sie gehe nur dann, wenn die Sichel, die sie in die Luft werfen wird, wieder zurückfalle. Aber, o Wunder! Die Sichel flog gegen den Himmel und kam nicht mehr herunter; daraufhin weigerte sich das Mädchen, aufs Feld zu gehen und zu arbeiten, um den heiligen Tag nicht zu entweihen. Da ging die Frau selbst um Klee und rief dabei aus:

"Und wenn auch der Teufel selbst am Felde wäre, ich gehe!"

Kaum hatte sie das gesagt, da kam ihr plötzlich eine große Schlange entgegen und fragte sie, warum sie an solch großem Festtage arbeite. Die Frau erschrak und könne keine rechte Antwort geben. Da ließ ihr die Schlange zur Strafe folgende Wahl: Entweder sogleich sterben oder die Schlange sieben Jahre an ihrem Leib zu tragen und wie ein Kind zu säugen. Die Frau wählte notgedrungen das letztere und trug durch sieben Jahre diese schwere Buße. Zur allgemeinen Warnung ließ man später die Frau mit der Schlange aus Stein hauen und stellte sie öffentlich auf.



Quelle: Robert Davy, Das Schlangenlied, in: Das deutsche Volkslied, 10. Jg. (1928), Heft 1/2, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 189.