Wer in der Heiligen Nacht einen Streich verübt
In der Christnacht sind zwölf Bäckergesellen zusammengekommen. Sind ins Wirtshaus gegangen, und ein jeder hat sich ein Glas Wein geben lassen. So reden sie miteinander:
"Wer traut sich um halb zwölf nachts auf den Friedhof hinaus?"
So sagt einer: "Ich trau mich schon hinaus."
Da sagen die elf anderen: "Wir zahlen einen Eimer Wein, wenn du dich traust. Mußt aber als Zeichen ein handlanges Ästchen von dem Baum, der mitten im Friedhof steht, mitbringen. Wenn du's aber nicht mitbringst, dann mußt du den Eimer Wein zahlen."
Da läuft aber einer von den elfen fort. Denn sein Meister hat eine Bärenhaut gehabt, eine abgezogene. Er hüllt sich in die Bärenhaut ein und geht hinaus zum Friedhof. Außerhalb der Mauer ist aber ein Graben gewesen und nebenbei ein Klafter Holzscheiter. Er legt sich in den Graben hinein und hat auf den gewartet, der gekommen ist. Wie der gekommen ist, springt er im Graben auf und knurrt ihn an. Er springt ihm auf die Brust und reißt ihm mit den Bärenpratzen den Rock herunter, daß die Fetzen herunterhängen. Sagt der:
"Mein lieber Bär, wenn du so machst, werd' ich's gleich anders machen."
Er nimmt ein Holzscheit und haut dem Bären auf den Schädel, und der fällt um und ist gleich mausetot, der Bär. Er geht in den Friedhof hinein und bricht sich einen handlangen Zweig vom Baum. Er bringt es hin und sagt:
"Da habt ihr euren Zweig."
"Ja, ist dir nichts passiert?"
"Ja, ein Bär hat mir aufgelauert, ich nimm aber gleich ein Holzscheit und hau es ihm auf den Schädel, so daß er gleich tot war."
Die anderen haben weiter nichts gesagt, nehmen sich zusammen und gehen
hin zum Bären, um zu sehen, was er macht. Sie schauen, der Bär
liegt da, ist noch warm gewesen, und die Haut ist ihm angewachsen gewesen.
Das war die Strafe von unserem Herrgott, daß er in der Heiligen
Nacht so einen Streich verübt hat. Ist in einen richtigen Bären
verwandelt worden, wie wenn der gerade erst aus dem Wald gekommen wäre.
Die Burschen schauen sich nach Werkzeug um, graben außerhalb der
Mauer ein Loch, legen den Bären hinein und machen das Loch zu. Den
Wein haben sie nachher ausgetrunken. Weiter ist gar nichts geschehen.
Quelle: Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Johann R. Bünker, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding), Nr. 24, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 199f.