Der Lutzmannsburger Schatz
In Lutzmannsburg lebte einst ein ehrsamer Bäckermeister, der sich im Laufe eines arbeitsreichen Lebens mit seinen wohlschmeckenden Baunzerln, Kipferln, Striezeln, Schusterlaibchen und Salzstangeln ein Vermögen erworben hatte.
Weil alle seine fünf Geschwister in recht ärmlichen Verhältnissen lebten, so beschloß er, vor seinem Lebensende seinen Besitz in gleichen Teilen an sie abzugeben.
Und so geschah es auch.
Doch das mühelos erworbene Geld und Gut brachte den armgebliebenen Geschwistern keinen Segen.
Der älteste Bruder wurde zum Spieler und verlor durch des Teufels Gebetbuch in wenigen Wochen die ganze große Summe.
Der zweite verjubelte den unverhofften Gewinn binnen Jahresfrist in den Schenken und Wirtshäusern, vertrank seinen Erbteil und alles, was er bis dahin besessen, dazu.
Der dritte Bruder wurde in den Wäldern um Lutzmannsburg von Räubern erschlagen und seines Besitzes beraubt.
Die einzige Schwester aber verfiel dem Geiz, ließ sich in gierige Wuchergeschichten ein, verlieh ihr Geld zu blutigen Zinseszinsen und verlor ebenfalls restlos alles, was ihr der wohlmeinende Bruder hinterlassen hatte.
Nur der jüngste Bruder versuchte sinnvoll mit seinem Pfunde zu wirtschaften. Vor allem wollte er aus Dankbarkeit für die große Erleichterung seines Lebenskampfes unserer Lieben Frau eine schöne Bildsäule setzen.
Und siehe da, als er an einer schönen Waldstraße ganz im stillen den Grund für den Sockel des geplanten Marterls ausschachtete, klirrte sein Spaten auf eine uralte eiserne Truhe. Sie war randvoll gefüllt mit Gold- und Silberstücken und stellte einen Schatz dar, für den mancher fürstliche Herr im Lande mehr als dankbar gewesen wäre.
Der erstaunte Finder war über sein Glück wie vom Donner gerührt und gelobte angesichts des gleißenden Schatzes aus Dankbarkeit eine Wallfahrt nach Rom.
Einen Hutvoll Dukaten nahm er aus der Truhe, schloß sie und schaufelte schnell die Grube voll. Deckte auch Rasen und Reisig darüber, daß niemand die Stelle erkennen möge, und machte sich wallfahrtend schon am nächsten Tag auf den Weg zur Peterskirche nach Rom.
Von diesem gottesfürchtigen Gang kam er aber nie mehr nach Lutzmannsberg
zurück. Man weiß nichts von ihm, nicht einmal, ob er überhaupt
sein fernes Ziel erreichte; denn eine so weite Reise war in damaliger
Zeit mit allerhand Mühsal und Fährnis verbunden.
Quelle: Die goldenen Lerchen. Geschichten und Sagen aus Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland, Hiess, Linz 1949, S. 249ff (gekürzt), zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 228f.