Der Luzienstuhl

No, die Großmutter hatte einen Bruder. Er hat beschlossen, einen Luzienstuhl zu machen. Und er nimmt ihn in die Kirche mit, damit er von ihm aus die Teufel, besser gesagt die Hexen, sehen kann. Ich weiß nicht, wie lange man den Luzienstuhl macht. Kurz und gut, bis zum Weihnachtsabend muß er fertig sein. Dann soll man den letzten Nagel hineinschlagen. Ich glaub, Holznagel. Ich glaub, am dreizehnten Dezember, am Luzientag, fängt man ihn an.

No, er hat ihn jetzt gemacht. Und in der Nachbarschaft wohnte eine Frau. Auch sie war eine Hexe. Sie hat aber meinen Onkel Pista sehr gern gehabt. Darum hat sie ihm gesagt, sie hat ihn gebeten: "Tu das nicht, mein Sohn, du wirst das bereuen." Er hörte aber nicht auf sie. Er war immer neugierig auf die.

No, jetzt hat er ihn am Weihnachtsabend zur Mitternachtsmesse mitgenommen. No, diese Frau gab ihm einen Stab. Sie sagte, wenn er in die Kirche, unter die Kanzel kommt, dann soll er mit diesem Stab einen Kreis ziehen. Da hinein können die Hexen nicht gehen.

No, er hat es so gemacht, wie es ihm gesagt wurde. Und sie hat ihm auch noch so kleine Körner, wie Leinsamenkörner, gegeben. Die waren aber nicht das, sondern etwas anderes. Sie hat ihm gesagt, wenn er nach der Messe aus der Kirche herauskommt, dann soll er anfangen zu laufen, wie er nur kann. Und die Körner soll er so weit wie möglich verstreuen. Die Hexen müssen die alle aufheben. Sie können ihm erst dann nachlaufen.

Er ist in die Kirche hineingegangen, stellte den Stuhl unter die Kanzel, und dann zog er mit dem Stock einen Kreis um sich herum. Daß sie nicht hineingehen können. Er sagte, daß er in seinem Leben noch nie so viele Hexen gesehen hat. Die größte war aber die Kumi. Sie hatte das größte Hörn aus Federbesen.

No, jetzt wußte er nicht, wie er sich von dort befreien wird können, weil die Hexen so gegen ihn anstürmten. Sogar der Pfarrer hat das bemerkt. Er hat das Volk angeschaut und hat gleich gewußt, daß hier etwas nicht stimmt.

No, jetzt, als die Messe zu Ende war, ging er aus der Kirche hinaus. Als er draußen war, fing er zu laufen an. Es war noch gut, daß die Kirche nicht weit von ihnen war. Er hat die Körner in alle Richtungen verstreut. Und die Hexen haben die zusammengerafft. Als er zu Hause ankam, fiel er beinahe schon durch die Tür hinein. Dann sagte die Kumi zu ihm: "Das ist dein Glück, daß du ein größerer Teufel warst als wir, sonst hätten wir dich zerrissen."

Tags darauf ging dann der Pfarrer zu ihm, weil er das Ganze erfahren hatte. Und er hat ihn sehr gescholten, daß man so was nicht tun darf. Er hat das aber nie wieder gemacht. Er war auf sie nie mehr neugierig. (Gaal)

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Auf mein Ehrenwort! Wer die Hexe zu sehen wünscht, möge von elf bis um zwölf (Uhr) einen Stuhl fertigmachen, er möge kommen, bevor in die heilige Kirche die Bauern gehen. Und der, welcher den Stuhl aufstellt, und der möge sich auf den Stuhl setzen. Dann kann er die Hexe sehen. Weil die Hexe nicht mit dem Gesicht gegen den Altar sitzt, sondern mit dem Rücken sitzt (sie) gegen den heiligen Altar, darum kannst du heraus erkennen, daß diese die richtige Dorfhexe ist. Und der (dieses) aufnimmt, nun, der darf nicht mitteilen (das Gehörte), noch nicht (einmal) seinem Mütterchen oder seinem Söhnchen möge er (es) erzählen, weil ihn die Dorfhexen sofort zerreißen. (Knobloch)

Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Nr. 72, Eisenstadt 1965, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 39f.
Romani-Texte aus dem Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 24), Johann Knobloch, S. 13, Eisenstadt 1953, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 39f.