Der tapfere Marktrichter
Es war zur Zeit der Franzosenkriege. Der Marktrichter Michael Freiberger führte während der französischen Besetzung pflichtgetreu sein schweres Amt. Endlich machten die Franzosen Anstalt, den Markt zu verlassen. Die biederen Bürger fürchteten nun, sie würden den Abziehenden Vorspanndienste leisten müssen. Sie flüchteten daher mit den Pferden in den Wald, gruben dort große Löcher und versteckten sie. Tatsächlich verlangten die Franzosen dreißig Wagen für ihre Artillerie. Freiberger konnte jedoch nur acht Wagen stellen. Zornig nahmen ihn deshalb die Franzosen bis Mödling mit und legten ihn dort in Ketten. Zum Verhör geführt, zeigte der tapfere Marktrichter keine Furcht, und sein Benehmen gefiel einem Offizier. Er ließ sich Freiberger bei Nacht vorführen und fragte ihn, ob er Mut habe.
"Den habe ich schon!" entgegnete der Marktrichter.
"Das gefällt mir!" sprach der fremde Offizier, gab ihm ein gesatteltes Pferd und verhalf ihm zur Flucht.
Als er um zwei Uhr nachts an seine Haustür klopfte und seine Frau
die bekannte Stimme vernahm, glaubte sie, es wäre der Geist ihres
toten Gemahls. Als sie ihn dann erkannte, schloß sie ihren lieben,
tapferen Gemahl glücklich in die Arme.
Quelle: Gisela Rakosi, Sagen aus Mattersburg, in: Burgenländisches Leben III, Teil 10, 1952, S. 24, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 187f.