Der Spatz
Zwei Vogelhändler aus Wiesen kamen weit von ihrer waldigen Heimat in eine Gegend, wo keine Bäume wachsen, wo, so weit das Auge reicht, nur fruchtbare Kornfelder und darüber der blaue Himmel zu sehen waren. Bei dem Bürgermeister einer Gemeinde, fragten sie ihn, ob er keine Vögel, "Schwarzblattl", zu kaufen wünsche. Da ihm die Vögel gefielen, kaufte er sich auch zwei. Die Vögelhändler aber hatten auch einen Käfig mit, der mit schwerem Tuch zugebunden war. Nur das Hin- und Herspringen eines Vogels konnte man vernehmen. Dies erregte die Neugier des guten Bürgermeisters, und er fragte, was für einen seltsamen Vogel sie in dem Käfig hätten.
"Das ist ein Nachtschläger", antworteten beide wie aus einem Mund; "das ist ein Vogel, der nur bei Nacht singt, aber so wunderschön, daß einem vor lauter Lust das Herz aus der Brust zu springen droht. Bei Tage aber ist er still und schweigt wie die finsterste Nacht."
"Den muß ich haben", dachte sich der Bürgermeister und versprach eine hohe Summe für das Tierlein.
Nun taten die beiden, als trennten sie sich nur schweren Herzens vom Vogel, steckten das Geld ein, geboten dem Bürgermeister noch, er solle den Käfig ja nicht vor dem Eintritt der Nacht öffnen und machten sich eiligst aus dem Staub.
Zu Hause angekommen, erzählten sie diesen Spaß, verrieten,
daß der Nachtschläger nichts anderes als ein Spatz sei und
malten sich aus, was für ein Gesicht der Bürgermeister wohl
geschnitten haben mochte, als er den Sperling erblickte.
Quelle: Mein Heimatdörfchen Wiesen im Burgenlande, August Strobl, Neusiedl am See 1929, S. 28f (gekürzt), zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 220f.