Die sündhafte Frau
Das ist schon vor tausend Jahren gewesen. Da war eine Frau, und die hat ein Kind gehabt mit einem Jahr. Das Kind hat aber das Abweichen (Diarrhöe) gehabt. So nimmt die Frau von einem Stück Brot das Weiche, die Schmolle, und wischt dem Kind damit den Schmutz weg.
Es kommt aber gleich ein Wetter daher mit Donner und Blitz, und der Donner schlägt in das Haus ein, und der Blitz hat's angezündet. Die Frau und das Kind sind mit dem Haus verbrannt.
Zur damaligen Zeit sind aber auf einem Halm noch sieben Ähren gewachsen. Unser Herrgott ist aber über das, was die Frau getan hat, so bös geworden, daß er dieses Jahr gar nichts wachsen ließ. Im zweiten Jahr auch nichts und im dritten Jahr auch noch nichts.
So hat unsere Himmelskönigin zu unserem Herrgott gesagt:
"Wir können doch wegen der Frau nicht alle Leute verhungern lassen. Laß anstatt sieben Ähren nur eine auf einem Halm wachsen, so haben die Leute noch Strafe genug und werden aufs Brot besser achten."
"Weil du so sagst, soll es so sein!"
Seit dieser Zeit wächst auf jedem Halm nur mehr eine Ähre.
Quelle: Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Johann R. Bünker, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding), Nr. 32, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 198.