Der Tod des Zauberers
Da standen sie, lehnten an der alten Mauer und rauchten: Schutzerl, der alte Schmied, Proscherl, Wastl und der alte Knecht des Wächters. Sie sprachen darüber, ob der heute verstorbene "Manskoh" wirklich zaubern konnte.
Da horchten sie und hörten der Erzählung der eben angekommenen Waberl, der Schwiegertochter des Verstorbenen, zu: "Gestern am Abend war es, da lag er schon sehr schwer krank in seinem Bette. Wir fragten ihn, ob er vielleicht den Arzt oder den Pfarrer wünsche. - Ich brauche weder einen Doktor noch einen Pfarren, sagte der Alte und drehte sich murrend auf die andere Seite-. Ich aber ging dennoch, den Geistlichen zu verständigen", erzählte Frau Waberl weiter, "und holte am Rückweg ein weißes Tuch aus meinem Hause, um den Tisch zur letzten Wegzehrung herzurichten. Als ich in die Nähe des Hauses kam, in dem mein Schwiegervater krank lag, sah ich vom Dache einen schwarzen Vogel auffliegen. Da kam auch schon mein Bruder aus dem Hause. Ich schrie ihm schon von weitem zu: "Nicht wahr, Michel, der Vater ist gestorben? Ich weiß es ja schon, denn soeben sah ich den Totenvogel davonfliegen." - "Ja, der Vater ist tot", sprach der Bruder tränenden Auges. Wir gingen an das Totenbett, wohin auch der Ortspfarrer gekommen war. Da lag der Alte mit erstarrten Zügen, und die Zunge hing weit aus seinem Munde. Der Priester redete ihn dreimal mit den Worten an: "Koch, ich frage dich, bereuest du deine Sünden?" Der Mann aber gab keine Antwort. Da sprach der Priester: "Knien wir nieder und beten wir, damit es uns in der Sterbestunde besser ergehe als dem Verstorbenen." Wir knieten nieder, beteten, worauf sich die Zunge wieder zurückzog."
"Er war doch ein Zauberer", sprach der alte Schmied, und die
Gesellschaft ging wortlos auseinander.
Quelle: Dorfsagen aus Wiesen, in: Volk und Heimat, 2. Jg. (1949), Nr. 11 (gekürzt), zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 28f.