Der unchristliche Pfarrer
Es ist recht ein armer Mann gewesen, der ist in einem Wirtshaus in einem Stall gestorben. Er hat niemanden gehabt und kein Geld, und kein Mensch hat gewusst, woher er ist.
Der Wirt geht zum Pfarrer, er soll den Toten begraben.
Der Pfarrer sagt, wann er kein Geld hat, sollen sie ihn hinaustragen neben den Friedhof und sollen ihn hineinstellen in den Graben.
Der Wirt lässt von alten Brettern eine Bahre zusammenmachen und lässt ihn hinaustragen in den Friedhofsgraben, wie der Pfarrer gesagt hat.
Der Pfarrer steht dabei und weist den Platz an, wo sie ihn hinstellen sollen. Währenddessen fährt der Schinder (Abdecker) vorbei.
Da sagt der Schinder: „Und kommt der nicht hinein in den Friedhof?“
Sagt der Pfarrer: „Nein, er hat kein Geld.“ „Ja, ich gebe Ihnen“, sagt der Schinder, „hundert Gulden für ihn.“
„Ich geb' ihn nicht her“, sagt der Pfarrer.
Und der Schinder verspricht ihm allerweil mehr, bis auf zwölfhundert Gulden, dass er ihn hätte eingraben können.
Der Schinder gibt aber aus, wo er hingekommen ist, dass er den armen Menschen gern eingegraben hätte. Wenn er ihn auch nur beim armen Vieh hätte eingraben können, wäre es doch christlicher gewesen, wie es der Pfarrer getan hat.
So kommt es dem Bischof zu Ohren. Gleich hat er den Befehl gegeben, dass der arme Mann begraben werden muss. Und der Pfarrer hat weg müssen von der Pfarre und ist arm gemacht worden.
Für das ganze Land wäre es eine Schande gewesen, wenn der Schinder die Leute hätte begraben müssen.
Quelle: Johann R. Bünker, Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding). Nr. 29, S. 65 (ins Hochdeutsche übertragen vom E. M. Kircher); zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 267.