Das verhexte Kalb
Ich war allein zu Haus, und wir haben eine Kuh mit Kalb gehabt. Das Kalb hat aber sein Maul nicht aufgemacht. Es konnte es nicht aufmachen. No, und da war ein Haus. Wir sind hingegangen, und ich hab' der Frau erzählt, was los ist. No, sie hat gesagt, was ich tun soll. Ich soll in einen Kübel Wasser geben. Dann soll ich drei Holzkohlen nehmen, nicht Glut, nur Kohlen. Und dann muß man sagen: unter Hut, unter Haube, unter Kopftuch! Dann erfährt man, wer das Vieh verhext hat. Der Hut ist der Mann, die Haube ist das Mädchen, das Kopftuch ist die Frau.
No, ich hab' das so gemacht. Ich hab' mich aber gefürchtet, was
wird sein, wenn gerade jetzt jemand kommt. Und wirklich, ich bin mit der
Mistgabel zur Stalltür gegangen. Wenn jetzt jemand kommt, dann muß
ich ihn erstechen. No, ich hab' mich gefürchtet. Wenn wirklich die
Hexe kommt! Und ich hab' das so gemacht. Und mit diesem Wasser wurde das
Kalb abgewaschen. Wer die Hexe war, das weiß ich nicht mehr. Aber
als ich es schön abgewaschen hab' und alles, dann hab' ich noch eine
halbe Stunde gewartet, so hat sie mir das gesagt. Dann hab' ich es freigelassen,
und das Kalb hat sein Maul aufgemacht und hat gesaut. Es war alles in
Ordnung.
Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Nr. 21, Eisenstadt 1965, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 35f.