Der Wechselbalg
In einem Heidedorf hatte eine Bäuerin ein Kind, dessen großer Kopf einer Nachbarin besonders auffiel. Als sie die Mutter fragte, ob dies wirklich ihr Sprößling sei, erzählte ihr diese folgenden Traum:
"Nach der Geburt des Kindes überfiel mich eine große Müdigkeit, so daß ich erschöpft einschlief. Da war es mir plötzlich, als ob die Tür leise aufgehe und ein kleiner Mann mit scharlachroter Weste und aufgestülpten Hemdärmeln hereinkäme. Er nahm mein Kind und legte an dessen Stelle ein anderes hin. Bald darauf erwachte ich und glaubte, als ich das Kind neben mir sah, das alles geträumt zu haben."
Die Nachbarin aber schüttelte bedenklich den Kopf und sagte, das habe die Bäuerin nicht geträumt, denn der garstige behaarte Mann sei der Kinderwechsler gewesen, und das Kind, das in der Wiege liegt, sei ein Wechselbalg. Um ihr eigenes Kind wiederzusehen, gab ihr die Nachbarin den Rat, beim Aveläuten ein großes Feuer zu machen und darüber einen Kessel voll Wasser zu hängen. Das Wasser müsse noch während des Läutens zu sieden anfangen. Sodann solle sie vortäuschen, den Wechselbalg in das siedende Wasser zu werfen. Um ihn zu retten, wird der Kinderwechsler sofort erscheinen und auch ihr Kind zurückbringen. Die Bäuerin befolgte den Rat, und als sie tags darauf so tat, als wolle sie das Kind in den Kessel werfen, erschien richtig das garstige Männlein, das sie im vermeinten Traume gesehen hatte, mit einem Kind im Arm. Er legte dieses eiligst auf den Tisch, entriß zornentbrannt der Bäuerin den Wechselbalg und wurde nie wieder gesehen.
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Vor über dreißig Jahren lag auf Schloß Bernstein eine
Frau im Wochenbett. Im Halbschlaf sah sie einen kleinen Mann mit braunroten
Haaren, in Stulpstiefeln, verschnürtem roten Rock die Freitreppe
hinaufsteigen, hörte ihn dann mit schweren dröhnenden Schritten
den langen Gang entlanggehen. Er blieb vor der Tür des Nachbarzimmers,
in dem das am Abend auf die Welt gekommene Kind schlummerte, stehen, und
da er wahrscheinlich nicht hinein konnte, schüttelte er gegen das
Kind wild drohend die Fäuste und brach in ein wüstes Hohngelächter
aus. Die Mutter fuhr erschrok-ken auf und fragte die am Bett sitzende
Wärterin, wer der Mann sei, der vor der Tür ihres Kindes drohend
aufgelacht habe. Die Wärterin aber beruhigte die Frau mit der Versicherung,
daß sie das Erlebnis nur geträumt habe. Die Wärterin hatte
auch keine Ahnung, daß es der Kinderwechsler gewesen war.
Quelle: Anton Mailly, Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Wien/Leipzig 1931, Nr. 32 u. S. 558, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 240ff.