Der Ahnensteig
Vor vielen Jahren soll zu Feistritz im Rosentale auf dem Felsen, der oben einen bläulichen Schimmer zeigt, ein Schloß gestanden haben. Dort lebte der Sage nach ein frommer Graf mit seiner Familie. Aber das Unglück heftete sich an seine Fersen. Ein Kind nach dem andern ging den betrübten Eltern in den Tod voran, ein schweres Siechtum warf die Gattin aufs Krankenlager und befiel bald auch den Grafen. Nach einem schweren Tage hatten nun beide in der Nacht denselben Traum: Sie gingen auf einen nahen Hügel. Auf dem Wege dorthin, der im Volksmunde noch heute „Ahnensteig“ heißt, begegneten jedem die verstorbenen Kinder und riefen sowohl dem Vater als auch der Montier wiederholt zu: „Bauet eine Kirche!“ Die Träumenden sahen dabei auf dem Hügel, wo heute die Kirche steht, drei Kreuze ragen wie auf dem Berge Golgatha. Wie waren sie erstaunt, als sie einander am Morgen den seltsamen Traum erzählten. Nach erlangter Gesundheit wollten sie auf jenem Hügel eine Kirche bauen. Wirklich genasen sie und erfüllten ihr Gelübde.
Noch jetzt sollen die Kinder des Ortes jeden Freitag zur Kirche kommen und für die Verstorbenen beten. Nach den drei Kreuzen, welche hinter dem Altare eingemauert sind, nennen die Leute diese Kirche „bei den Kreuzen“.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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