Die Alfrauen
Am Abhange des Jaukengebirges im Gailtale erhebt sich ein Felsen, der an einigen Stellen so rot gefärbt ist, als wäre er von Blutadern durchzogen. Auch ist er reich an Höhlen. Auf der nahen Bergwiese, die mit saftigen grünen Kräutern bestanden ist, weideten einst zwei Hirten ihre Rinder und Schafe. Da hörten sie plötzlich vom Felsen herüber, der den Namen Romaskofel führt, Geschrei und Weheklage. Einer der Hirten konnte dies nicht länger anhören, trieb seine Herde nach Hause, und nachdem er seine Arbeit verrichtet hatte, nahm er eine Schüssel und füllte sie mit frischer Milch. Mit dieser und einem Stück Brot machte er sich auf den Weg und schritt jenem Felsen zu. Dort stellte er die Speise nieder und entfernte sich. Kaum stieg am nächsten Tage die Sonne herauf, so ging er hin, um nachzusehen und fand die Schüssel mit Gold und Silber gefüllt. Es war der Dank der Alfrauen für die mitleidige Spende. Freudig eilte er mit seinem Schatz dem Gehöfte zu, wo er im Dienste stand. Wie erstaunten die Leute, als sie all den Reichtum sahen! Nun wollte sich der andere Hirte auf gleiche Weise bereichern. Als er daher einmal das gleiche Weheklagen hörte, nahm er eine Schüssel, füllte sie mit Sand und stellte sie am Eingange einer Höhle des Felsens nieder. Doch als er am nächsten Tage wiederkam, um den Schatz zu holen, ergriffen ihn die Alfrauen und schleuderten ihn gegen den Felsen, daß das Blut darüber hinabrann.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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