Die Allerseelenbrote

Als ein Bauer, der mit seinen Ochsen heimfuhr, zur Wegkapelle von Leopoldskirchen kam, sah er in einer Nische Brotlaibchen aufgehäuft. Er hielt an und nahm eines von diesen sogenannten „Gatschial’n“ in die Hand, denn er wunderte sich, wie solche Brötchen hierhergekommen waren. Nach damaliger Sitte wurden solche am Morgen des Allerheiligentages den Kindern und bettelnden Armen statt eines Almosens gereicht. Nichts Besonderes daran bemerkend, warf er das aufgehobene Stück wieder an seinen Platz. Da tat es einen „Jammerer“, und das ganze aufgehäufte Brot war verschwunden. Kopfschüttelnd fuhr der Bauer seines Weges.

Bald hernach kam eine Bäuerin auf der Heimfahrt von ihrer Mühle an der Kapelle vorüber und hielt an. Sie sah die Brotlaibchen, die am Morgen noch nicht dort gelegen waren, und lud sie in einen leeren „Fleidensack“. Denn sie dachte: Für die Schweine ist das ein gutes Futter. Schwer zogen die Ochsen an, immer schwerer ward in kurzer Zeit die Last. Als die Bäuerin nach Hause kam und im Sacke Nachschau hielt, bemerkte sie mit freudig pochendem Herzen, daß sämtliche Brotlaibchen in Silbertaler verwandelt waren.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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