König Matthias Corvinus
König Matthias, der mit beispielloser Tapferkeit gegen den christlichen Erbfeind, die Türken, kämpfte, wird in slowenischen Liedern und Sagen als der größte Held besungen, desgleichen es noch keinen gegeben habe. Noch lange nach seinem Tode konnte und wollte das Volk nicht glauben, daß er gestorben sei. So berichtet man nämlich, daß er vorzeiten König von Kärnten war. Wegen seiner großen Macht beneideten ihn die Fürsten der benachbarten Länder und überzogen sein Reich mit Krieg. Als ihm die Schlacht verloren ging, zog er sich mit einigen hundert Rittern in die Felsgegend zurück, von allen Seiten eingeschlossen. Da öffnete sich der Berg, nahm ihn mit seinem Gefolge auf und rettete ihn vor seinen Feinden. In dieser Felsenwohnung lebt er noch heute und schläft darin mit seiner „schwarzen Schar“. In der Mitte der Höhle steht ein steinerner Tisch, woran der König sitzt. Alle sind unbeweglich, wie versteinert. Aber jedesmal um zwölf Uhr nachts springt er auf, reißt sein Schwert aus der Scheide und schärft es. So auch seine Gefährten. Das dauert bis ein Uhr. Dann steckt er sein Schwert ein und alle versinken wieder in Schlaf. So geht es jede Nacht, und so wird es gehen, bis sein Barthaar dreimal den steinernen Tisch umspannt; dann wird er erwachen und seine Diener auf die Erde schicken. Wenn diese mit der richtigen Botschaft zurückkehren, wird er seine Ritter wecken und sie unter einem schattenreichen Lindenbaume versammeln zum Kampfe gegen den Feind des christlichen Glaubens.
Jung und alt wird zur Verteidigung des alten wahren Glaubens herbeiströmen, und zwar in solcher Hast, daß keiner Zeit haben wird, sich umzukleiden, sondern jeder in dem Gewande kommen wird, das er gerade an hat. Eine solche Menge rechtgläubiger Christen wird unter Waffen stehen, daß der Krieg nicht einmal so lange dauern wird, als man braucht, um drei Laib Brot zu verzehren. Wenn einem etwa der dritte Laib aus der Hand fallen wird, so wird ihn sein Machbar trösten: „Laß ihn, Bruder, er soll liegen bleiben. Du hast ja an zwei Laiben genug.“ Aber der König wird in dem furchtbaren Kampfe sein ganzes Heer einbüßen bis auf sieben Ritter. Mit diesen wird er, wenn sie ausgeruht haben, die ganze Erde unterwerfen.
Den Weg zu jener Bergeshöhle haben erst wenige Auserwählte gefunden. Unter andern auch ein Schmied, der in dem Walde beim Holzlesen den Eingang in den Berg erblickte. Furchtlos trat er ein und betrachtete die Krieger, welche am Boden umherlagen. Im Weitergehen gelangte er auch zu dem steinernen Tisch, an welchem der König schlief. Vor ihm lag eine Menge Gold- und Silbermünzen. Der Schmied nahm davon, soviel er tragen konnte, und war von nun an ein reicher Mann.
Auch eine Frau gelangte einmal in den Berg. Als sie zum Könige hintrat, erwachte dieser und fragte sie, wer jetzt auf Erden regiere. Die Frau gab die gewünschte Auskunft, doch weil es noch nicht die bestimmte Zeit war, verfiel er alsbald wieder in Schlaf. Dann kehrte die Frau ans Tageslicht zurück. Im Fortgehen sah sie sich nochmals nach dem Berge um, doch fand sie den Eingang nicht mehr. Zu Hause erzählte sie den Leuten von dem schlafenden Könige und dadurch ward es im Volke kund, daß er noch lebe.
Ein Fuhrmann aus St. Jakob im Rosentale kehrte einst mit einer Weinladung aus Ungarn heim. Als er unterhalb eines großen Berges durch einen großen Wald fährt, erblickt er halb in den Fels gebaut ein Häuschen, dessen Dach kaum aus dem Berge ragt. Vor der Tür steht ein stattlicher Ritter, mit einem Schwert umgürtet, und fragt den Fuhrmann: „Freund, du bist von unseren oberen Gegenden; sage mir, steigen noch immerfort die Ameisen auf die drei Gipfel, den St. Christofberg, Magdalensberg und Urichsberg?“ - „Sie steigen wohl noch hinauf, aber immer weniger.“ - „Sage zu Hause: wenn der Glaube soweit schwinden wird, daß niemand mehr auf die drei Gipfel geht, dann werde ich erscheinen mit meiner schwarzen Schar.“ - „Wer bist du?“ fragte der Fuhrmann. – „Ich bin König Matthias Corvinus. Tritt näher und geh mit mir in dieses Haus, damit du dich mit eigenen Augen überzeugst!“ Der Mann gehorchte und König Matthias sprach: „Tritt hinter mich und blicke über meine rechte Achsel durch dieses Fenster!“ Er tat, wie ihm befohlen, und erblickte eine Ebene, lang und breit. Sie war über und über bedeckt mit bewaffneten Kriegern, die unbeweglich und still neben ihren Pferden schliefen. „Nun, das ist die schwarze Schar“, sagte der König zu dem verwunderten Manne; „blicke noch einmal durch das Fenster!“ Matthias griff sanft an seinen Säbel und zog ihn ein Stück aus der Scheide. Und siehe! Das ganze Heer ward lebendig. Die Krieger erhoben ihre Häupter, die Pferde schüttelten ihre Mähnen, wieherten und stampften mit ihren Hufen. „Nun, hast du's gesehen?“ fuhr der König fort; „’s wird nicht lange währen, bis ich aufstehe und meinen Säbel ziehe. Laue Lüfte werden wehen und alle Menschen mit einem Gedanken beseelen. Meine Krieger werden sich auf ihre Pferde schwingen, dann wird der heilige Kampf für den wahren Glauben entbrennen.“
In einer anderen Fassung derselben Sage heißt es, der Fuhrmann habe auf Geheiß des Ritters durch ein Fenster in den Berg geschaut. Drinnen saß bei einem elfenbeinernen Tisch ein Mann, dessen Bart um den Tisch wuchs. Wenn der den Tisch ganz umspannt, wird König Matthias, denn dies ist der Schlafende, erwachen und mit seinem Kriegsvolk auf die Welt zurückkehren. Eine Linde wird in der Weihnachtszeit zu grünen beginnen und bis ein Uhr so süß blühen, daß die ganze Gegend von ihrem Duft erfüllt sein wird. Nur eine Stunde wird sie blühen und dann verdorren. Am Georgstage wird der Held erwachen und seinen Schild an die verdorrte Linde hängen, worauf sie wieder zu grünen beginnt. Noch werden sich schlimme Dinge ereignen. Aus dem Türstein des Palastes werden die Türken einen Trog bereiten und ihre Pferde daraus tränken. Noch früher wird zwischen dem Süd- und Nordmeer ein blutiger Krieg entstehen. Die Ungläubigen werden die Kirche der heiligen Ursula zerstören und am Fuße der Petzen auf eisernen Pferden reiten. Ein Laib Brot wird einen Beutel Dukaten kosten. Dann aber kommen bessere Zeiten. König Matthias wird alle Feinde besiegen, alles Unrecht von der Welt vertreiben und das goldene Zeitalter begründen.
Auch in der Gegend des Dobratsch und bei Föderlach wurde die Sage vom Fuhrmann ganz ähnlich erzählt.
An den Humitzhügel im Rosentale heftet sich dieselbe Sage, daß nämlich in seinem Innern ein steinalter Mann mit mächtigem Barte schlafe. Auf einer Waldblöße daselbst soll ein Mann aus Treffen (bei St. Egiden an der Drau) in der Nacht eine Schar Soldaten gesehen haben, deren Führer hoch zu Rosse saß. Wer sich auf Schatzgraben versteht, kann in dem Hügel viel Geld finden. Oft sind dort auch flackernde Lichter zu bemerken.
In der Gegend von Zell endlich ist die Sage verbreitet, daß der Kaiser von Österreich nach einem Völkerkampfe nur mehr soviel Soldaten besitzen werde, als ihrer im Schatten einer Linde Platz haben. Alsdann werde König Matthias mit seinem Heere ihm zu Hilfe kommen und ein letzter Kampf dem Kaiser das Gelobte Land einbringen.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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