Die Heiligendreikönigsinger in Gnesau
In der Nähe von Gnesau bildet das Gebirge, welches die Südseite des Tales begrenzt, bevor es ins Tal absinkt, eine kleine Hochfläche. Hier stehen mehrere verstreute Bauerngehöfte, umgeben von grünen Wiesen und schönen Feldern. Nebenan erhebt sich ein dunkler Wald, der sich bis an den Bach ins Tal hinzieht.
Vor langer Zeit, als der Wald noch Bären, Wölfen und anderem Raubgetier in seinem dichten Bestande Verstecke bot, trug sich dort eine Geschichte zu, die heute noch im Volksmunde fortlebt. Drei arme Brüder, Bauernsöhne aus der Umgebung, sollen in der Zeit um das Dreikönigsfest, als Könige aus dem Morgenland verkleidet, von Haus zu Haus gezogen sein, um überall ihre Lieder und Segenswünsche vorzutragen, was heute wie damals noch Sitte ist. Da sie bei jedem Bauer, wo sie einkehrten, Gaben erhielten, hatten sie bald eine beträchtliche Menge von Geschenken beisammen, die der jüngste tragen mußte. Auf dem Heimwege, der sie mitten durch diesen finsteren Wald führte, gerieten sie bei der Teilung des Erlöses in einen heftigen Streit. Jeder wollte mehr bekommen als die andern, besonders erbost gebürdeten sich die zwei älteren Brüder.
Als sie in die Mitte des Waldes gelangten, überfielen sie den dritten und erschlugen ihn, worauf sie ihn seines Anteiles beraubten und die Leiche, so gut es ging, verscharrten. Während sie noch damit beschäftigt waren, begann es sich im Walde unheimlich zu rühren. Unter ihren Füßen fing es an zu rollen und zu krachen, und beide fühlten eine höllische Furcht. Plötzlich erfolgte ein heftiger Schlag, und die beiden Mörder wurden vom Erdboden verschlungen.
Man erzählt, daß sie in eine gräßliche unterirdische Gegend gelangt seien, wo sie nun schreckliche Arbeiten verrichten müßten. Der Beherrscher dieser Unterwelt sei eine teufelsähnliche Gestalt, ebenso sein Gefolge. Auf sein Gebot müßten sie den Pflug und andere Ackergeräte wie auch Wagen ziehen und dabei schwere Peitschenhiebe erdulden. Dies litten sie zur Strafe für den Brudermord.
Wenn man in der Dreikönigsnacht durch diesen Wald geht, so hört man aus dessen Mitte ein klägliches Jammern und Winseln. Jetzt soll dies nicht mehr vorkommen, aber ein kleiner Erdhügel, unter welchem der Erschlagene begraben sein soll, wird von alten Leuten noch gewiesen. Er schließt die Geschichte von den Heiligendreikönigsingern in sich.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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