Warum der Goldbergbau in Kliening stillesteht
Die selige Hemma lebte nach dem Tode ihres Gemahls Wilhelm, Grafen von Friesach und Zeltschach, der unter dem Altar der Kirche in Gräbern bei Preblau begraben liegt, als Besitzerin des Goldbergbaues in Kliening bei St. Leonhard im Lavanttal. In ihrem Bergwerk war eine große Zahl von Knappen tätig. Diese wurden aber nicht wie üblich je nach dem Verdienste mit vorgezählter Münze ausbezahlt, sondern jeder durfte am bestimmten Zahltage eine Handvoll Goldmünzen aus der damit gefüllten Schürze Hemmas fassen. Die Herrin ging von der Meinung aus, daß ein arbeitsamer Knappe durch die fortgesetzte Beschäftigung einen bedeutend festeren und sicheren Griff bekomme und eine größere Menge Lohnmünzen zu ergreifen vermöge als ein müßiger Arbeiter. Infolge des Übermutes wilder, zügelloser Knappen soll sich die Gottesstrafe ereignet haben, daß plötzlich alle Goldquellen versiegten; alle weitere Mühe blieb vergeblich, kein Gold war mehr in dem überreichen Hemmastollen zu finden.
Nur den beiden Söhnen Hemmas, Wilhelm und Hartwig, gelang es noch immer, so oft sie das stillstehende Bergwerk betraten, eine reiche Ausbeute zu gewinnen. Sie brauchten nämlich nur an einem Glöcklein im Stollen zu läuten, und es erschien sofort ein Zwerglein, das ihnen mächtige Goldadern aufdecken half. Nach der Arbeit war jede Spur verschwunden und für andere unauffindbar.
Das Glück der begünstigten, jedoch sehr schwachsinnigen Söhne der Hemma erweckte bei den Knappen großen Neid, und deshalb versuchten sie, den beiden das Geheimnis, den Schlüssel zum Golde zu entringen. „Wein plaudert", sagt ein altes Sprichwort - und so bezechten die tückischen Knappen die überglücklichen, ahnungslosen Söhne ihrer Herrin, entlockten ihnen das Geheimnis und erschlugen sie zu guter Letzt, um fortan allein nach Schätzen zu graben. Doch das Maß ihres frevelhaften Übermutes schien noch nicht voll zu sein; sie hieben den Erschlagenen die Köpfe ab und verwendeten sie zum Kegelspiel.
Als Hemma die Trauerkunde erhielt und die Ursache der Tat erfuhr, verwünschte sie das Bergwerk, und so konnten die Knappen trotz des erschlichenen Geheimnisses nicht die geringste Spur Goldes mehr finden. Untröstlich über den Verlust, beschloß Hemma, von der greulichen Stätte fort über die Saualpe nach Friesach zu ziehen. Eine einzige, allerdings sehr schwache Hoffnung ließ sie den Leuten vor dem Scheiden aus dem Orte noch zurück; dadurch ward die vorherige Verwünschung der Goldgruben zum Teile wieder aufgehoben, und dies geschah auf folgende Weise:
Am Hohenwart, über den ihr Weg führte, setzte sie eine kohlschwarze Henne nieder und legte ihr eine mit Mohnkörnern gefüllte, große Milchrein vor. Jedes Jahr wird nun die Henne nur ein Körnlein daraus fressen und dann jedesmal an einer verborgenen, aber stets anderen Stelle der ausgedehnten Alm ein kupfernes Ei legen. Erst wenn die Henne das letzte Körnlein ans der Rein (Schüssel) gefressen hat, wird der Bergsegen jenes verwunschenen Stollens sich aufs neue erschließen. Wem es jedoch vor dieser unendlich langen Zeit gelingen sollte, einen ebenso kohlschwarzen Hahn auf den Hohenwart zu bringen, wo auf den dreimaligen Hahnenruf die bewußte Henne erscheint, diese sodann zu fangen und samt allen bis dahin gelegten Eiern zum Stolleneingange zu bringen, dem würde das Glück zuteil, vom selben Augenblicke an im Hemmastollen wieder reichlich Gold zu finden.
Doch jeder Versuch scheiterte bisher, denn es gelang nie, alle Bedingungen zu erfüllen: entweder starb vorher der schwarze Hahn schon während der Aufzucht, trotz aller Sorgfalt, oder es brach auf dem Wege zur Alm plötzlich ein Schneesturm los, durch den das Tier zugrunde ging. Ein anderer Hahn versagte den dreimaligen Ruf, mancher Glücksjager wieder stellte sich beim Einfangen der Henne so ungeschickt, daß sie ihm entkam, oder er konnte, wenn er sie glücklich erwischt hatte, die kupfernen Eier nicht finden; heute nach so vielen Jahren dürfte das schon gar nicht mehr gelingen. Aber auch die nun einzige Hoffnung der Leute jetziger Zeit scheint sich noch immer nicht erfüllen zu wollen, da die kohlrabenschwarze Henne auf dem Hohenwart sicherlich nicht so bald all die vorgesetzten Mohnkörnlein aufgefressen haben wird.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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