Das Goldbergwerk St. Oswald bei Villach
In alter Zeit grub man im St. Oswaldberge unweit von Villach nach Golderzen. Die Goldadern des Berges schienen unerschöpflich zu sein, deshalb bereicherten sich nicht bloß die Grubenbesitzer, sondern auch die Bergleute erhielten hohen Lohn und ersparten sich im Lauf der Jahre beträchtliche Summen. Aber ihr Reichtum verlockte sie bald zu rohen Scherzen. Am Fuße des Oswaldiberges stand eine Hütte, in der eine arme, fromme Frau ihr Leben fristete. Ihr ganzes Hab und Gut war eine Kuh. Eines Tages schickten die zu bösen Streichen immer aufgelegten Bergleute die arme Frau mit einem Auftrag in die Stadt Villach und benützten die Zeit ihrer Abwesenheit dazu, die Kuh zu schlachten, ihr die Haut abzuziehen und diese mit Stroh zu füllen. Nachdem sie dieses Truggebilde an die Krippe gestellt hatten, ergriffen sie die Flucht.
Eherner Hahn
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Bald kehrte die Frau heim und fand zu ihrem größten Entsetzen ihre Kuh regungslos im Stalle. Gewaltigen Herzenskummer bereitete ihr die boshafte Tat; als sie von Leuten, welche die Ruchlosen beobachtet hatten, erfuhr, wer ihr die einzige Habe geraubt, reifte in ihr der Entschluß, sich an den übermütigen Bergleuten zu rächen. Sie ging deshalb ins nächste Dorf zu ihrem Oheim, der ein Zeugschmied war, mit der Bitte, ihr eine eherne Henne zu schmieden. Nachdem die Arbeit fertiggestellt war, nahm sie die Henne und stellte sie in den Stollen des Goldbergwerkes, wobei sie den Edelschacht mit folgenden Worten verfluchte: „So wenig diese Henne jemals Eier legt, so wenig werdet ihr fernerhin in diesem Berge Gold finden." Es dauerte wirklich nicht lange, so gingen ihre Worte in Erfüllung. Schon am nächsten Tage, als die Bergleute im Stollen wie gewöhnlich nach Gold gruben, fanden sie statt der glänzenden Golderze nur taubes Gestein. Der ganze Goldreichtum des Oswaldiberges ist seit jenem Fluche versiegt.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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