Grebenzensagen
Im Zuge der Norischen Alpen erhebt sich in einer Höhe von 1896 Meter die Grebenze. Sie weist mehrere Höhlen auf. Die bedeutendste ist das sogenannte „Wilde Loch", eigentlich keine Höhle, sondern eine kraterartige Öffnung im Berge, welche später in bedeutender Tiefe terrassenförmig abfallen soll. Im Volke wurde diese Öffnung in früherer Zeit gerne als Tor zur Hölle angesehen, aus dem die Teufel bei Ausflügen zu den gottlosen Sennerinnen auf den umliegenden Almen kamen. Fromme Leute gingen daher nicht gerne am „Wilden Loche" vorüber.
Einst ging ein steirischer Bauer über die Grebenzalpe und schlief beim „Wilden Loche" ein. Da hörte er erregtes Stimmengewirr in der Tiefe und aus ihr den deutlichen Ruf: „Tür und Tor auf, der Richter von Neumarkt ist da!" Als er später nach Neumarkt kam, läutete man die Glocken, und auf die Frage, was dies bedeute, erhielt er die Kunde, daß vor wenigen Stunden der Ortsrichter gestorben sei.
Einst ging ein Mann vom Wallfahrtsorte Maria-Schönanger über die Grebenze nach Hause. Als er so dahinging - es war schon ziemlich spät - sah er am Wege ein prächtiges schwarzes Pferd weiden. Da kam ihm der Gedanke, das Pferd zu einem Ritte über die Almfläche zu benützen und hierauf wieder freizulassen. Als er so auf dem Pferde saß, befiel ihn der Schlaf. Im Traume hörte er eine Stimme, die ihm zuflüsterte: „Steig links ab!" Plötzlich stand der Rappe still. Schlaftrunken fuhr der Mann empor, saß aber doch der Eingebung folgend links ab. Da durchrieselte ihn jäher Schrecken. Kopfüber verschwand der Rappe im Boden, Funken und Schwefelgeruch hinterlassend, und als der Mann sich halbwegs erholt hatte, sah er, daß er beim „Wilden Loche" stand. Wenn er rechts abgestiegen, wäre er unfehlbar in die dräuende Tiefe gestürzt. Die heilige Mutter Maria am Schönanger hatte die List des Teufels zuschanden gemacht.
Bei einem Bauer in der Ortschaft Wiesen waren vor mehr als hundert Jahren ein paar Mägde, die jeden Abend Besuch beim Kammerfenster stehen hatten. Allein die kräftigen Brentlersprüche (Gasselreime) der Burschen aus der Umgebung verschlugen bei ihnen nicht mehr. Da kam eines Abends ein junger Jäger zum Fenster. Hei, wie lustige Schnurren wußte der, die Mägde kamen gar nicht mehr aus dem Lachen. Unten ging aber ein alter Jäger vorüber und sah den lustigen Gesellen auf dem Holzgange vor dem Kammerfenster sitzen. Er sah aber auch noch etwas, was ihm die Haare himmelwärts streben machte. Unter dem grünen Jägerrocke hing ein langer, zottiger Schwanz bis zur Erde nieder. Der Jäger schlug ihm mit dem Büchsenkolben, in welchem ein Marienbild eingelegt war, auf den Schwanz, worauf der Brentler in Dunst zerfloß. „Håbt's jå an recht saubarn Brentler då ghåbt, dös Diandlan", rief er zum Fenster hinein und erzählte den Mägden den Vorfall. Eine soll aus Angst gestorben und die andere sehr fromm geworden sein.
Der Jäger aber wanderte weiter und als er in den Ingolstaler Graben gelangte, hinderte plötzlich eine Mauer, die er noch nie gesehen, seine Schritte. Er ging kopfschüttelnd die sonderbare Mauer entlang und geriet so zum Loche. Da kehrte er wieder um und suchte noch lange nach einem Ausgange. Als er keinen fand, sagte er: „So leg' ich mich halt in Gottes Namen da nieder." Alsbald schlief er ein und als er morgens erwachte, lag der Weg frei vor ihm. Das Teufelsblendwerk hatte seinen frommen Sinn nicht zum Wanken zu bringen vermocht. Hätte er geflucht, wäre es ihm übel ergangen.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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