Der Grenzsteinfrevler

Im Maltatale erzählt man folgende Sage. Es waren einmal zwei Bauern, deren Besitzungen aneinander grenzten. Der eine jedoch wollte den andern übervorteilen und versetzte einen Markstein, wodurch er den Besitz des Nachbarn schmälerte. Dafür fand er nach dem Tode keine Ruhe, er mußte Tag und Nacht auf dem Steine sitzen. Dabei rief die arme Seele in einem fort: „Wohin? Woher?“ Alles war über den tollen Spuk in Ängsten.

Einst kam ein fremder Mann ins Dorf und erfuhr von der Geschichte. Er ward von den Mannern, welche ihm den Fall im Wirtshause erzählten, aufgefordert, an die Stelle zu gehen und sich selbst von der Wahrheit des Gehörten zu überzeugen. „Warum auch nicht?“ sagte er und ging hin. Als er sich dem Grenzstein näherte, hörte er die verzweifelten Rufe: Woher? Wohin? Da gab er barsch zur Antwort: „Tu ihn hin, wo du ihn hergenommen hast!“ Und richtig war der Geist dadurch erlöst.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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