Die Gründung des Klosters Viktring
Graf Bernhard von Sponheim und seine Gemahlin hatten, als ihr einziger Sohn Bruno Mönch zu St. Paul geworden war, an dessen Stelle ihren Neffen Heinrich als Sohn und Erben angenommen. Doch auch jetzt fanden sie ihre Hoffnungen und Wünsche nicht erfüllt; denn Heinrich warf gleichfalls in schönster Jugendblüte das Irdische hinter sich, indem er sich dem Dienste der Kirche zu widmen gedachte. Zunächst wollte er sich an der Pariser Hochschule einen reichen Wissensschatz erwerben.
Am französischen Hofe fand der schöne, mit allen ritterlichen Tugenden ausgezeichnete Jüngling freundliche Aufnahme bei König Ludwig VI. und seiner Gemahlin Adelaide und überrascht musterte die Ritterschaft des Hofes seine glänzende Erscheinung. Aber der Friede in des frommen Heinrichs Brust war plötzlich dahin, als er Konstanze, die sechzehnjährige Königstochter, erblickte. Eben rüstete der Hof zu einem großen Feste, und die Prinzessin nannte, als sie der Turnierordnung gemäß ihren Ritter wählen sollte, mit zitternder Stimme den Grafen Heinrich von Sponheim, indem sie um ihn mit bebender Hand die selbstgewebte, weiß und blau schimmernde Schärpe schlang.
Neid und Hochmut hatten sich jedoch den zarten, sittigen Deutschen zum Opfer der Kampfspiele erkoren; er aber forderte nicht heraus und harrte ruhig seiner Reihe. In die Schranken gerufen, offenbarte er seine ritterlichen Künste. Einen riesigen Normannen warf er in den Sand, und dessen Fall entmutigte alle, die den Kampf mit Heinrich aufzunehmen hatten. Der erste Preis ward ihm so zuteil: Des Königs Bildnis zwischen flimmerndem Edelgestein, an goldener Kette. Tanz und Bankett folgten dem Turnier. Während der lärmenden Freude ertönten urplötzlich Rufe des Schreckens und Jammers; in der Nähe der Burg hatte eine Feuersbrunst mehrere Häuser ergriffen. Da das feste königliche Schloß die verheerende Flamme nicht zu fürchten hatte, dachten die Ritter und Edelherren keineswegs daran, sich die Festfreude stören zu lassen; nur Heinrich, einem bittenden Blicke Konstanzens folgend, eilte zur Unglücksstätte, wo seine sicheren und klugen Anordnungen der wilden Flamme bald Schranken setzten. Mit freigebiger Hand hatte er seine ganze Münze bereits den arg geschädigten Leuten geschenkt, und schon wollte er zurückeilen in den fröhlichen Taumel des Hoffestes, als Hilferufe an sein Ohr gellten. Er dringt in die Tiefe eines rauchenden Gewölbes vor, wo drei Kinder mit ihrer Mutter dem Tode nahe sind. Bald hatte er sie alle gerettet, und um sie, die durch des Feuers Wut alles verloren, der nächsten Sorgen zu entheben, wirft er der unglücklichen Frau jene goldene Kette in den Schoß, die er als Turnierpreis gewonnen.
Der Ruhm seines Rettungswerkes trug ihm neue Bewunderung ein, vermehrte aber auch den Neid und die Scheelsucht der Höflinge. Im Parke traf er die Prinzessin und zitterte nun bei der Erinnerung, daß er den köstlichen Kampfpreis, von Mitleid überwallt, an hilflose Arme vergeben. Das Bekenntnis dieser Schuld abzulegen, warf sich der Heldenjüngling zu Konstanzens Füßen nieder. Lächelnd verzieh sie und reichte ihm zum Ersatze ein Kleinod, mit dem sie sich selbst geschmückt, ein Kreuz, gefaßt in Gold und Diamanten. In diesem Augenblicke erscholl keckes Hohngelächter. Die Neider des Sponheimers waren ihm in den Garten gefolgt und berichteten nun allerorts in entstellter, frecher Weise, daß er unlauteren Umgang mit der Prinzessin gepflogen. Fruchtlos war jede Beteuerung seiner Unschuld. Heinrich der Sponheimer, so lautete das Urteil eines Pairsgerichtes, müsse waffenlos mit einem Löwen kämpfen; unterliege er, so sei die Schmach des königlichen Blutes gebüßt; siege er, so werde seine Unschuld erwiesen sein.
Unverzagt sah der Jüngling dem Kampfe entgegen, den man für den dritten Tag anberaumt hatte, und in seinen nächtlichen Träumen erschien ihm die Himmelskönigin, schützend breitete sie um ihn ihren Mantel. Ruhig betrat er zur festgesetzten Stunde den Zwinger, und alsbald stürzte der hungrige Leu, wild brüllend und die lange Mähne schüttelnd, auf den Gegner. Heinrich aber drückte das Kreuz an den Mund, faßte dann des Tieres greuliche Pranken und warf es zu Boden. Voll Schrecken wand sich der Löwe zu des Ritters Füßen und folgte ihm hierauf winselnd zur Höhle, die Heinrich sodann mit dem Gitter schloß. Tausendstimmiger Jubel ertönte, als der Jüngling so der drohenden Gefahr entronnen war. Im Triumphzuge geleitete man ihn in den Prunksaal. Hier führte ihm das Königspaar die glückliche Konstanze zu; aber wie der Erde entrückt erklärte er, fürderhin nur der Himmelskönigin zu dienen, und am nächsten Tage trug er schon die Gewandung der Zisterzienser von Morimond. Bald war er Abt des Stiftes von Villars.
In dem Wunsche, auf ihren reichen Besitzungen ein Kloster zu gründen, wandten sich Graf Bernhard von Sponheim und seine Gemahlin Kunigunde an ihren Neffen Heinrich, der als Abt dem Kloster Villars in Lothringen vorstand, mit der Bitte, ihnen einige Mönche zu senden. So kamen im Jahre 1142 mehrere durch ihre Geburt wie durch verschiedene Kunstfertigkeiten ausgezeichnete Zisterzienserbrüder nach Kärnten. Graf Bernhard wies ihnen den Platz zu, wo ihnen eine Heimstätte erbaut werden sollte, beschenkte sie mit vielen Gütern und nannte das neue Kloster S. Maria de victoria, das Siegeskloster, Viktring, in Erinnerung an jenen glücklichen Kampf, den sein Neffe Heinrich am französischen Hofe mit einem Löwen bestanden hatte.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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