Die Lügenmär vom Gullihofe
Von der zum Gullihofe im oberen Metnitztal gehörigen Alpenwirtschaft wurde die Milch in Röhren zum Hofe herabgeleitet und dort in einem Teiche gesammelt, auf welchem ein Arbeiter in einem Kahne herumfuhr und den Rahm abschöpfte. Die Butter wurde zum Gullihof auf Holzriesen herabbefördert. In einer großen Schüssel mit Mus ging der Knecht herum und trat mit den Füßen Tümpfe, in welche sodann Schmalz geleitet wurde.
Einst fiel beim Butterauslassen ein Knecht hinein und konnte nicht mehr aufgefunden werden; erst über Jahr und Tag kam er im Schmalz als „Grammel" zum Vorschein.
Da sich fast bei jeder Bauernwirtschaft ein Knecht findet, der mit der Kost unzufrieden ist, so wurde als solcher „Kostprotzer" im Gullihofe ein eigener Knecht angestellt, welcher nichts anderes zu tun hatte als auf der Ofenbank zu liegen und über die Kost zu schimpfen.
In der Nähe der Besitzung stand eine Fichte, unter welcher vierundzwanzig Männer ihre Sensen dengeln konnten, ohne daß einer den andern zu sehen vermochte, so dick war der Stamm. Die Höhe dieses Baumes war geradezu unbeschreiblich, so daß ein Eichhörnchen, wenn auch vom Schusse ins Herz getroffen, erst am andern Tage zu Boden fiel.
Ferner befand sich beim Gullihofe ein Blashorn, welches, wenn gebraucht, so heftige Schallwellen erzengte, daß sich das ganze Gesinde, um nicht niedergeworfen zu werden, in die inneren Räume zurückziehen mußte.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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