Hartwig von Kreug

Was hatte Hartwig für eine wunderschöne Frau, sie war so zart, daß man den Wein, wenn sie trank, durch ihren Schwanenhals hinabfließen sah. Der Ritter liebte sie über alle Maßen und wenn sie jemanden freundlich anblickte, stieg schon die Eifersucht in seiner Seele auf; aber ihr Herz war rein wie der frisch gefallene Schnee, sie lebte nur für Hartwig und wies den schlauen Vogt des Schlosses, der, von ihrer Schönheit geblendet, sich ihr zu nähern suchte, mit verächtlicher Miene und ernsten Worten zurück. Darüber grollte er ihr im Herzen und schwor, für die schnöde Zurückweisung sich an ihr zu rächen. Er wußte sich ins Vertrauen Hartwigs einzuschleichen und wie er festen Boden unter sich spürte, suchte er die tugendsame Frau in den Augen Hartwigs verdächtig zu machen; dieser glaubte der glatten Verleumderzunge und ließ seine Frau, ohne sie weiter anzuhören, in den mit einem Graben umgebenen Burgfried werfen. Der vor Rache glühende Vogt reichte ihr nur Wasser und Brot - so schmachtete die Arme Tage und Wochen im dunklen Verließe ohne Hoffnung auf Erlösung.

Dem alten treuen Schloßförster, der im Häuschen neben dem Turme wohnte, ging ihr Schicksal derart zu Herzen, daß er den Mut faßte, dem Ritter über seine Grausamkeit und sein Unrecht Vorstellungen zu machen; dieser sah ihn mit zornfunkelnden Augen an und wies ihm die Türe; aber der gute Alte hatte sich's einmal vorgenommen, koste es was es wolle, den Vogt zu entlarven und ließ sich nicht so leicht abweisen; da zog Hartwig sein Schwert und stieß es in blinder Wut dem Förster durch die Brust, daß er röchelnd zu Boden stürzte.

Nach dieser Bluttat konnte es Hartwig im Schlosse nicht länger mehr aushalten - er machte sich auf und schloß sich den Kreuzrittern, die ins Heilige Land zogen, an. Obschon er den Tod suchte und immer im vordersten Treffen stand, blieb er doch unversehrt und kehrte endlich wieder betrübten Sinnes in die Heimat zurück. Auf dem Heimwege, noch bevor er Kärntens Grenze erreichte, wurde ihm durch einen Traum bedeutet, daß seine Frau unschuldig sei, und er eilen möge, wenn er sie noch am Leben treffen wolle. - Er eilte nun, was er konnte - und wie er nach Kreug auf die Turmwiese kam, da sah er aus dem Burgfried eine weiße Taube auffliegen; ein Zeichen, daß seine Frau schuldlos soeben verschieden sei. Seines Bleibens war hier nicht langer, nur eine Pflicht hatte er noch zu erfüllen - den Vogt ließ er ergreifen - und nachdem er am Grabe seiner Gattin sich ausgeweint, zog er wieder als Büßer ins Heilige Land, aus dem er nicht wiederkehrte.

Der Kopf des guten Alten aber wollte nicht im Grabe bleiben; - so oft man ihn auch eingrub - immer kam er wieder ins Schloßhäuschen, wo er mit seinen hohlen Augen vom Wandschranke herabschaute. Die Leute gewöhnten sich mit der Zeit daran, ließen ihn stehen und wuschen ihn zu heiligen Zeiten mit Weihwasser ab.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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