Heimgekehrt
Die Türken kamen auf einem ihrer Züge nach St. Jakob im Rosental. Der Friedhof wurde wie in vielen Orten zu damaliger Zeit fest verschanzt und von hier aus der Ort verteidigt. Die Bewohner flüchteten entweder in die Kirche oder ins Gebirge. Nach tapferer Gegenwehr wurde der Friedhof von den Türken erstürmt und das Dorf verbrannt. Unter den zahlreichen Gefangenen, welche sie mit sich schleppten, befand sich auch ein jungvermähltes schönes Weib, welches aus der Familie der Serajnik stammte. Da es beim Haus Mikl und sie selbst Rosalia hieß, wurde sie kurz die Miklsche Sala genannt. Als Gefangene der Türken kam sie nach Konstantinopel und hier in den Harem eines Pascha. Dieser wollte sie unter der Bedingung, daß Sala Türkin werde, zur Gemahlin nehmen. Sie aber konnte sich nicht dazu entschließen. So waren sieben Jahre dahingegangen, Sala war noch immer gefangen.
Eines Tages sang sie im Garten ein wehmütiges Lied in ihrer Muttersprache. Der alte Gärtner, welcher ebenfalls gefangen und im Rosental daheim war, hörte dieses Lied und verstand jedes Wort. In ihm erwachte um so stärker die Sehnsucht nach der Heimat. Er wußte sich den Zutritt zur Sala zu verschaffen und diese erkannte in dem alten Manne ihren Onkel. Beide sannen nun auf Flucht und es gelang ihnen, zu entkommen. Sie wanderten nach Norden, bis sie an die Donau gelangten. Jetzt erzählt die Sage weiter, daß sie von fabelhaften Wesen, den sogenannten pesjani, das heißt „Hundsköpfe", verfolgt wurden. Diese hatten nur einen Fuß und ein Auge mitten in der Stirne. Sie riechen einen Christen schon von weitem und gehen der menschlichen Spur nach, wie die Jagdhunde dem Hasen. Die Fliehenden gingen immer den großen Fluß aufwärts, wie eine alte Türkin der Frau geraten hatte, doch nur bei Nacht; bei Tag versteckten sie sich, im Wasser stehend, unter den Wurzcln der beim Flusse wachsenden Bäume. Auf den Kopf setzten sie sich grüne Rasenstücke, damit ihnen die pesjani nicht auf die Spur kamen. Einmal kamen ihnen die pesjani so nahe, daß beide hörten, wie diese schrien: „Hier ist sie gewesen, hier ist sie nicht, aber es riecht nach Christenblut." Unter ähnlichen Mühsalen kamen sie endlich drauaufwärts wandernd nach St. Jakob.
Salas Mann hatte sieben Jahre auf seine Frau geharrt. Nun aber entschloß er sich, wieder zu heiraten, in dem Glauben, sie komme nicht wieder. Es war ein Sonntag; der Brautzug bewegte sich zur Kirche. Vor der Kirche hatte sich Sala mit ihrem Onkel, der als Bettler verkleidet war, aufgestellt. Als sie ihren Mann an der Seite der neuen Braut sah, da warf sie die Vermummung ab und rief „Haltet ein, ihr Hochzeitsgäste, ich bin die Sala, sein eheliches Weib." Am Ehering erkannte sie der Mann. Nun veränderte sich rasch das Bild, denn statt der Hochzeit wurde ein fröhliches Wiedersehen gefeiert. Der Bauer und Sala wurden wieder ein glückliches Paar.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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