2. Gründung des Gurker Domes.
Mit jubelndem Herzen kehrte Hemma zu ihrem Stammsitze zurück und ging bald daran, ihr Gelübde zu lösen. Unschlüssig, wo sie die neue Kirche bauen sollte, überließ sie einem Gottesurteile die Entscheidung. Zwei Ochsen spannte sie vor einen Wagen und ließ sie ohne Lenker frei ausgehen mit dem Vorsatze, den Platz, wo die Tiere stehen bleiben würden, als den der Himmelskonigin genehmen zu erkennen. Das Ochsenpaar lief nun von Friesach bis an die Stelle, wo die Metnitz sich in die Gurk ergießt; von hier eilte es das Gurktal aufwärts noch etwa zwei Stunden weit; dann stand es plötzlich still. An dieser Stelle sollte sich das neue Gotteshaus erheben. Die Gräfin überwachte und leitete den Bau in eigener Person, der freilich unter ihr nicht vollendet ward. Aber allmählich entstand in dem stillen Seitentale, dessen Natur selbst bescheiden und anspruchslos ist, der Dom, der zu den herrlichsten alten Monumentalbauten Kärntens gehört. Neben dem bescheidenen Markte Gurk macht der bewunderungswürdige Bau den Eindruck einer stolzen alten Eiche, die weit und breit nur von Zwergholz und Gesträuch umgeben ist. Man bezeichnet in der Gruft des Domes den Marienaltar als die Stelle, von welcher die Rinder selbst durch Schläge nicht mehr von der Stelle zu bringen waren. Dort sieht man auch noch ihren Sitz, einen ausgehöhlten Serpentinstein, wo sie Platz nahm, um die Arbeitsleute zu beteilen. Die Sage erzählt, daß sie hier jedem, der mit seinem Lohne unzufrieden war, die volle Börse vorhielt. Und sieh! es bekam jeder, wenn er auch noch so gierig zugriff, nur das, was er verdiente. Das Volk glaubt, daß fromme Wünsche, um deren Erhörung man auf jenem Steine sitzend bitte, gewiß in Erfüllung gehen. Vor der Kirche zeigt man den Wunderstein, der weich wie Wachs geworden, als die gottselige Hemma darauf sitzend die Muttergottesstatue ergriff und mit Inbrunst in ihre Arme schloß.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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