9. Hemmas letzte Lebensjahre.
Nach so vielen und tief verwundenden Schlägen des widrigen Geschickes nunmehr gatten-, kinder- und erbelos, gedachte die gottergebene Hemma nicht mehr des Irdischen. Als fromme Witwe lebte sie einige Jahre zurückgezogen zu Gurkhofen in stiller, heiliger Einsamkeit und bezeichnete jeden Tag mit Wohltaten gegen Hilfsbedürftige und Unglückliche. Besonders wandte sie ihre Freigebigkeit den Kirchen zu, von denen sie viele ausbessern und verschönern, mehrere aber von Grund aus neu erbauen ließ, wie zu Pisweg, Hohenfeld, Grafendorf bei Friesach u. a.
Nicht nur das Beispiel ihrer Anverwandten, die in ihrer Nähe die Frauenklöster Göß und St. Georgen am Längsee gestiftet hatten, sondern vielmehr der fromme Geist der damaligen Zeit bestimmte sie, zwei Klöster bei dem herrlichen Dom in Gurk zu erbauen. Auf den Ruf der gottesfürchtigen Stifterin kam im August 1042 der salzburgische Erzbischof Balduin nach Gurk und brachte einige Klosterfrauen aus dem uralten Stifte auf dem Nonnberge zu Salzburg samt seiner Äbtissin namens Ida, ferner zwanzig Chorherren mit, um sie in die neuen Wohnstätten einzuführen. Am Feste der Himmelfahrt Marias nahm er in Anwesenheit unzähliger Volksscharen die heilige Handlung der Weihe vor. Die hochedle Hemma trat dann selbst, umgeben von 70 Jungfrauen des Landes, vor den Hochaltar, legte die Briefe ihrer ansehnlichen Spenden für den neuen Dom, die Klosterfrauen und Chorherren zu den Füßen der Himmelskönigin, der Patronin der Kirche, hin und opferte sich selbst, indem sie mit ihren Begleiterinnen von Balduin den geweihten Schleier nahm, in seine Hände die feierlichen Gelübde ablegte und aus einer überreichen Erbin und gräflichen Herrin eine demütige, unterworfene und gemeine Klosternonne wurde.
Zu der Stiftungsurkunde, welche Balduin ausstellte und worin alle Güter aufgezählt sind, welche Hemma der neuen Kirche und ihren geistlichen Anwohnern schenkte, ließ sie in ihrem eigenen Namen die Bedingung hinzufügen, daß von allen durch sie der Kirche von Gurk geschenkten eigenen Leuten der Erstgeborene der Familie das Recht haben solle, sich um ein halbes Talent und fünfzehn Denare von der Leibeigenschaft bei der Äbtissin loszukaufen.
Als Hemma im Frühling 1045 in eine schwere Krankheit fiel und bald aufgelöst zu werden wünschte, traf sie die letzten Anordnungen und ging am 29. Juni, am Feste der Apostel Petrus und Paulus, in ein besseres Leben über.
Von dem Nachlasse Hemmas sind nur noch ein Ring und ein Halsgehänge übrig, beide von Rauchtopas, als Zeichen ihrer Witwentrauer, und in Gold gefaßt. Ihr Andenken jedoch ist geblieben und wird bleiben in den Herzen der Landleute Kärntens und Krains. Jährlich, besonders am vierten Sonntage nach Ostern und an Hemmas Sterbetage, kommen aus Krain und den übrigen Gegenden, wo sie einst als Herrin gebot, Hunderte nach Gurk, um das Fest der Verehrung und Dankbarkeit an ihrer Grabstätte zu feiern.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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